Blindengeld: Heiße Diskussion in der Vorstandssitzung

 

Vom Blindengeld zum „Sinnesausgleichsgeld“

In der heutigen Vorstandssitzung 06.05.2024 gab es unter TOP sonstiges einen unter den Landesverbandsvertretern einen hitzigen Punkt: Blindengeld.

„Ja, in Bayern gibt das für Wachkomapatienten schon lange!“ – … – „Bei uns ist es aber abgelehnt worden, da der Nachweis auf Blindheit nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte.“ – Ein anderes Vorstandsmitglied wusste, dass das Blindengeld Wachkomapatienten zugesprochen wurde, mit der Begründung einer Seelenblindheit. Was für eine grausame Beschreibung für eine Wahrnehmungseinschränkung bei einem stark sinnesbeeinträchtigten Menschen.
Es gibt hierzu tatsächlich keine bundeseinheitliche Regelung, da dies Ländersache ist.

Eine Recherche ergab jedoch, dass das Bundessozialgericht (BSG) in den letzten Jahren einige wichtige Urteile zum Blindengeld für Wachkomapatienten getroffen hat.
Eine dieser Entscheidungen wurde am 11. August 2015 gefällt, was dazu führte, dass Wachkomapatienten unter gewissen Voraussetzungen Anspruch auf Blindengeld haben. Diese Änderung wurde zum Beispiel im Freistaat Thüringen jedoch zunächst nicht umgesetzt, was zu einer Petition führte, um diese Neuregelung auch dort in Kraft zu setzen​ (Thüringer Landtag Petitionsplattform)​.

Nach diesem Urteil ist eine Differenzierung zwischen Störungen des Sehvermögens, eine Benennungsstörung oder eine allgemeine
Herabsetzung kognitiver Fähigkeiten nicht mehr relevant. Gerade
bei cerebral geschädigten Menschen kann dies vielfach medizinisch kaum nachvollzogen werden, d. h. die Ursache der Beeinträchtigung des Sehvermögens nicht genau bestimmt werden. Denn die Untersuchung visueller Wahrnehmungsleistungen setzt voraus, dass Untersuchungsfähigkeit gegeben ist; dazu gehören u. a. ausreichende Leistungen in den kognitiven Bereichen Aufmerksamkeit und Gedächtnis, ausreichende Sprachleistungen (Mitteilung u. a. über das eigene
Sehvermögen bzw. Beschreiben von optischen Reizen) oder ausreichende Handfunktionen, etwa um Reaktionstasten im Rahmen perimetrischer Untersuchungen betätigen zu können.
Das Gericht kommt zum Schluss: „Insoweit fehlt es an Erhebungs- und Untersuchungsmethoden, deren Einsatz sowohl zu medizinisch sicheren
Ergebnissen führt als auch ethisch vertretbar ist. „(1)

Daher wäre eine Umbenennung des Blindengeldes zum „Sinnesausgleichsgeld“ mehr als angebracht, unabhängig, ob es sich nun um die Augen, das Ohr oder anderer diverser Sinneseinschränkungen handelt.

Urteile als PDF:
(1) BSG, Urteil vom 11. 8. 2015 – B 9 BL 1/14 R

(2) BSG – Entscheidung vom 26.10.2004 – B 7 SF 2/03 R

Ein früherer Fall des BSG, der den Anspruch auf Blindengeld für Wachkomapatienten betraf, wurde bereits im Jahr 2004 entschieden​​. In diesem Fall ging es um die Zahlung von Blindengeld an die Rechtsnachfolger eines verstorbenen Patienten. Diese Entscheidungen des BSG zeigen, dass Wachkomapatienten unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Blindengeld haben können. (2)

Wer hat eigene Erfahrungen?
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