UN- Behindertenrechtskonvention für ALLE – Ein praktisches Beispiel

Mein heutiger Aufreger: Finanzamt

„Ein ganz praktisches Beispiel, oder besser gesagt mein heutiger Aufreger, verdeutlicht dies. Die Umsetzung der UN-BRK bedeutet für mich nicht nur, die speziellen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen (bei mir die Auswirkung mehrerer Schlaganfälle) zu berücksichtigen, sondern eine breitere Barrierefreiheit und Zugänglichkeit zu schaffen, die allen zugutekommt. Eine ausschließlich für Behinderte eingeführte Maßnahme würde ja erneut dem Sinn der Inklusion widersprechen. Durch die Anwendung einfacher inklusiver Maßnahmen in alltäglichen Verwaltungsprozessen, wie zum Beispiel einem Antwortschreiben an das Finanzamt, könnte man einen kleinen, aber wichtigen Schritt hin zu einer inklusiveren Gesellschaft machen.“

Der Ablauf, um ein ausgefülltes Antwortformular mit zwei Anhängen dem Finanzamt zuzumailen.

Obwohl ich – nachdem ich, getrieben von dem schlichten Wunsch, lediglich eine einfache E-Mail an meine zuständige Sachbearbeiterin beim Finanzamt senden zu dürfen, mich durch ein labyrinthisch verschachteltes Antwortformular kämpfen musste, dessen akribische Ausfüllung nicht nur die vollständige Preisgabe sämtlicher nur denkbarer persönlicher Daten wie Identifikationsnummer, Steuernummer, Geburtsdatum, Telefonnummer und – mutmaßlich – sogar einer bevorzugten Papierstärke erforderte, sondern darüber hinaus auch die technische Herausforderung zu bewältigen war, eine zuvor sorgfältig ausgefüllte und sodann mit beträchtlichem zeitlichem und nervlichem Aufwand in das vorgeschriebene PDF-Format überführte Datei auf einer eigens von den baden-württembergischen Finanzbehörden zu diesem Zwecke eingerichteten und mindestens ebenso undurchsichtigen wie umständlichen Sonderhomepage hochzuladen, um dann, nach mehrfacher, beinahe feierlich inszenierter Bestätigung meiner Absicht, das alles auch wirklich absenden zu wollen, lediglich ein Protokoll für meine Unterlagen zum Ausdrucken zu erhalten und im selben Zuge zu erfahren, dass – selbstverständlich aus Gründen der Datensicherheit! – jegliche Antwort auf mein Anliegen ausschließlich telefonisch oder, in historischer Kontinuität mit dem preußischen Beamtentum, per Post erfolgen könne, was angesichts des offenkundig kafkaesken und bis in die tiefsten Verästelungen des Finanzamts durchdeklinierten Gesamtprozesses, dessen Komplexität, Umständlichkeit und selbstgenügsame Verwaltungsverliebtheit nicht nur meine Geduld, sondern auch mein Vertrauen in die langfristige Überlebensfähigkeit eines solchen Staates sowie der dahinterstehenden Regierung auf eine existenzielle Probe stellte, weshalb ich mich, ernüchtert und gleichzeitig in der Klarheit meines Entschlusses bestärkt, gezwungen sah, aus diesem Verein – den man in höflicher Zurückhaltung noch als modernen Staat bezeichnen könnte – endgültig auszutreten, da sich, wie ich meine, das bevorstehende Scheitern eben jenes Systems bereits in der banalen Unmöglichkeit, eine simple E-Mail zu senden, schmerzhaft offenbart.
(Mit dem Schreibstil möchte ich Sie nur teilnehmen lassen an der Komplexität des Ablaufes.)

So, jetzt als ich das oben aufschreibe, ist mir bewusst geworden, dass ich die beiden Anhänge vergessen habe. Nein ich mute nur mir das ganze Prozedere nochmals zu. Wenn Sie mich trotzdem dabei begleiten wollen, dann gehen Sie einfach nochmals hoch und lesen den Text ab: „Obwohl ich – nachdem ich, …“ nochmals in ruhe durch. Vergessen Sie aber dabei nicht, an der richtigen Stelle die beiden Anhänge hochzulade. Übrigens mehr als 5 Dateien dürfen Sie auch nicht anhängen.

So, hurra geschafft.

Meine Vorstellung wäre: QR-Code → ELSTER → Dateien hochladen – fertig.

Denn wir, Menschen mit Behinderungen, sind doch keine ‚Hinterwäldler‘, die noch in der Zeit von handschriftlich ausgefüllten Formularen leben müssen – genauso wenig wie die Angehörigen unserer Schwerstbetroffenen. Doch leider sind es oft diejenigen, die Gesetze für uns erlassen, die glauben, dass die bloße gesetzliche Einführung bereits ausreicht. Fristsetzungen kommen immer nur einseitig vom Staat, während die Umsetzung der UN-BRK, insbesondere in staatlichen Stellen, nicht einmal einklagbar ist. Inklusion steht nur auf dem Papier – die tägliche Realität belegt das.

Und wie toll könnte eine inklusive Gesellschaft für alle sein, Behinderte wie Nichtbehinderte!

 


Noch ein Hinweis für die, die nun die Datensicherheit und DSGVO als Gegenargument anführen. Datensicherheit in Formularen ist extrem eingeschränkt und in diesem Formular werden alle meine persönlichen Daten, Adresse, Gebdatum, Steuer- und ID-Nummer, Adresse, etc. abgefragt, die für diesen Vorgang überhaupt nicht relevant sind. Und ich werde sogar dazu, durch Pflichtfelder, gezwungen. Die ID-Nummer, Anschreiben und Anlagen wären völlig ausreichend. Allein die möglichen Anhangsformate: „Folgende Formate werden akzeptiert: jpg, jpeg, png, bmp, gif, tif, tiff, pdf, docx, csv, xlsx, odt, ods, heif, avif, heic, txt.“ bergen jedoch erhebliche Risiken.




ChatGPT – SEIN oder nicht SEIN

„ChatGPT vielen Neurologen überlegen  –  KI stärkt neurologische Diagnosen“

Die erste Überschrift („ChatGPT vielen Neurologen überlegen“) kann bei Fachleuten leicht den Eindruck erwecken, die KI solle den Arzt ersetzen und gefährde damit Arbeitsplätze oder die ärztliche Verantwortung. Die zweite Formulierung („KI stärkt neurologische Diagnosen“) betont dagegen die Rolle der KI als unterstützendes Werkzeug, das auf ein riesiges, ständig aktualisiertes Wissen zurückgreift und gerade in schwierigen Fällen neue Perspektiven eröffnen kann. Berücksichtigt man beide Sichtweisen, zeigt sich: Die KI ist dann ein wertvolles Hilfsmittel, wenn sie verantwortungsvoll genutzt wird und der Arzt ihre Vorschläge kritisch prüft. Wenn sie jedoch als Rechtfertigung für Diagnosen dient, ohne ärztliches Urteil einzubeziehen, kann das sowohl für Patienten als auch für Behandler und letztlich für das Vertrauen in das Gesundheitssystem zu einem ernsthaften Problem werden.

„KI stärkt Diagnosen bei Polyneuropathie“

 

Kann künstliche Intelligenz bei der Diagnose komplexer Nervenerkrankungen mithalten? Eine internationale Studie unter der Leitung von Dr. Alberto De Lorenzo vom Klinikum Humanitas in Mailand hat genau das untersucht – mit erstaunlichen Ergebnissen.

Im Test standen 100 echte, sorgfältig dokumentierte Fälle von Patientinnen und Patienten mit Polyneuropathien, darunter chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP), das POEMS-Syndrom und die Charcot-Marie-Tooth-Krankheit. ChatGPT in der Version 4o analysierte die standardisierten Fallberichte und sollte jeweils drei differenzialdiagnostische Vorschläge inklusive Begründung machen.

Parallel beurteilten 36 Neurologinnen und Neurologen aus zehn Ländern die gleichen Fälle. Knapp die Hälfte der Ärztinnen und Ärzte war auf periphere Nervenerkrankungen spezialisiert, die andere Hälfte nicht.

Das Ergebnis: ChatGPT lag in 66 Prozent der Fälle mit der Hauptdiagnose richtig – deutlich besser als die nicht spezialisierten Fachkräfte (54 Prozent). Lediglich die erfahrenen Spezialistinnen und Spezialisten schnitten noch besser ab und erreichten eine Trefferquote von 74 Prozent. Betrachtete man alle drei Vorschläge, enthielten 82 Prozent der KI-Antworten die korrekte Diagnose. Zum Vergleich: Die nicht spezialisierten Ärzte kamen auf 69 Prozent, die Experten auf etwa 90 Prozent.

Auch bei der Wahl der wichtigsten konfirmatorischen Tests überzeugte die KI: In 68 Prozent der Fälle lag sie richtig – ein Wert, der fast exakt dem der Spezialisten entsprach.

Allerdings zeigte sich auch, wo die Grenzen liegen. Die KI neigte dazu, Laborwerte zu überbewerten und klinische Details zu vernachlässigen. Immerhin: Nur in fünf Prozent der Antworten wurden Informationen frei erfunden – deutlich weniger als bei früheren Modellen.

Nach dem Vergleich mit den KI-Vorschlägen änderte etwa jeder fünfte nicht spezialisierte Neurologe seine Diagnose. Unter den Spezialisten war es nur jeder Zehnte.

Fachleute sehen in solchen Systemen vor allem eine Chance, wo spezialisierte Expertise fehlt. Richtig eingesetzt können KI-Modelle Diagnosen strukturieren, Tests gezielter auswählen und wertvolle Denkanstöße geben.

„Es kommt auf die Prompts, das kritische Hinterfragen und die ärztliche Verantwortung an.“ so Siegels Fazit.

Quelle: SpringeMedizin 26.06.2025 | Periphere Neuritis | Kongressbericht




Gefangen im eigenen Körper

44 Stunden zwischen Leben und Tod – und was sie uns über Bewusstsein, Medizin und Organspende lehren

Auch Friedemann Knoop „erwachte“ in diesem Zustand des Locked-in-Syndroms und beschreibt in seinem Buch, das der SHV herausgebracht hat, seine 1,5 Jahre „Lebendig eingemauert“

Was bleibt vom Menschen, wenn er nicht mehr spricht? Was, wenn der Körper schweigt – aber das Innere schreit?
Die Dokumentation „Gefangen im eigenen Körper – 44 Stunden zwischen Leben und Tod“ konfrontiert uns mit einer beunruhigenden Wahrheit: Es gibt Zustände, in denen das Bewusstsein eines Menschen vollkommen intakt ist – aber keine Möglichkeit mehr besteht, das zu zeigen.

Im Zentrum des Films steht der junge Familienvater Gil Avni aus Israel. Nach einem unerwarteten Hirnödem wird er ins künstliche Koma versetzt. Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte gehen davon aus, dass er keine Überlebenschance mehr hat. Seine Familie beginnt, sich zu verabschieden. Doch Gil lebt – nicht nur biologisch, sondern geistig. Er hört alles, versteht jedes Wort, ist voll da. Nur zeigen kann er es nicht. Kein Laut, keine Bewegung, kein Zeichen. 44 Stunden lang.

Der Film erzählt nicht nur eine medizinisch außergewöhnliche Geschichte, sondern macht ein tiefes menschliches Dilemma sichtbar: Wo endet das Leben – und wo beginnt der Tod? Wer entscheidet darüber? Und wie sicher sind wir uns in dieser Entscheidung?

Ein schmaler Grat zwischen Fehleinschätzung und folgenschwerer Entscheidung

Die Situation, in der sich Gil befand, ist extrem selten – aber nicht einmalig. Sie erinnert an das sogenannte Locked-in-Syndrom, bei dem Patienten bei vollem Bewusstsein eingeschlossen im eigenen Körper gefangen sind. Manche dieser Menschen können später wieder kommunizieren – manche nicht. Der Fall Gil Avni wurde durch eine zufällige Beobachtung eines Pflegers erkannt. Was wäre gewesen, wenn diese nicht erfolgt wäre?

Hier berührt die Dokumentation ein brisantes Thema: die Problematik der Organspende bei unklarer Bewusstseinslage. In vielen Ländern, auch in Deutschland, wird die Organspende in der Regel an die Diagnose des Hirntods gebunden. Doch was, wenn diese Diagnose voreilig gestellt wird? Was, wenn jemand noch lebt – und sich seiner Situation vollkommen bewusst ist, aber keinerlei Möglichkeit mehr hat, dies mitzuteilen?

Gil Avni war nicht hirntot. Doch seine Geschichte wirft Zweifel auf, ob wir mit unseren derzeitigen diagnostischen Mitteln wirklich sicher beurteilen können, was im Inneren eines scheinbar reglosen Menschen vorgeht. Die Vorstellung, dass ein Mensch für tot erklärt – und womöglich zur Organspende freigegeben – werden könnte, während er alles mitbekommt, ist erschütternd. Und doch nicht völlig ausgeschlossen.

Ein Aufruf zur ethischen Wachsamkeit

Der Film ist kein Angriff auf die Organspende – aber ein Aufruf zur Achtsamkeit. Zur Sorgfalt. Und zur Demut vor dem, was wir nicht messen oder vollständig verstehen können. Er zeigt, dass der Tod nicht nur eine medizinische, sondern auch eine philosophische, ja spirituelle Frage ist. Dass Entscheidungen über Leben und Tod niemals leichtfertig getroffen werden dürfen. Und dass jede medizinische Grenzsituation individuelle Würde verdient.

In Israel hat Gils Fall zu einem Umdenken geführt. Die Gesetzgebung wurde angepasst, um bewusste Patient:innen im künstlichen Koma besser zu schützen. Auch in Deutschland stellt sich die Frage, wie wir mit der wachsenden Komplexität am Lebensende umgehen wollen. Welche Sicherheit können und müssen wir fordern, bevor lebensentscheidende Maßnahmen wie Organentnahme getroffen werden?

Sehen – und innehalten

„Gefangen im eigenen Körper – 44 Stunden zwischen Leben und Tod“ ist weit mehr als eine bewegende Einzeldokumentation. Sie ist ein Spiegel für unser medizinisches Selbstverständnis – und eine Einladung zur ethischen Selbstprüfung.

Der Film ist noch bis zum 22. Juli 2025 in der ARD-Mediathek abrufbar. Wir laden Sie ein, diese besondere Sendung anzusehen und mit uns darüber ins Gespräch zu kommen.

Zur Dokumentation in der ARD-Mediathek

Mehr über das Buch: Lebendig eingemauert

 




Zeit, Zeichen zu setzen – für Leben, das zählt.

Ein Beitrag des SelbstHilfeVerband – SHV Baden-Württemberg zum Tag der Organspende 2025

Am heutigen Tag der Organspende ist das öffentliche Echo laut: Dankbarkeit, Appelle zur Solidarität, bewegende Geschichten von geretteten Leben. Wir vom SHV Baden-Württemberg stehen dem Anliegen, Leben zu retten, grundsätzlich nicht entgegen. Aber gerade heute wollen wir ein anderes Zeichen setzen – eines, das selten gesehen wird:

Ein Zeichen für jene, die nicht tot sind, auch wenn andere es behaupten.

Hirntod – ein medizinisches Konstrukt, kein erlebter Tod

Für die Organentnahme gilt in Deutschland der sogenannte „Hirntod“ als rechtlich definierter Todeszeitpunkt. Doch für viele Angehörige fühlt sich dieser Moment nicht wie ein Tod an. Der Körper atmet weiter, das Herz schlägt, die Haut ist warm. Und für Betroffene mit schweren Hirnverletzungen – etwa nach einem Unfall, einer Hirnblutung oder einem Sauerstoffmangel – ist die Grenze zwischen Koma, Wachkoma und Hirntod oft nicht eindeutig. Doch jeder Organspender war zunächst im Koma!

Wir begleiten Menschen, die sich Schritt für Schritt zurück ins Leben kämpfen. Einige waren als „fast Hirntote“, „demnächst Hirntote“ aufgegeben worden – und haben heute wieder eigene Wünsche, Bewegungen, Begegnungen. Ihr Leben zählt. Und es hätte verloren gehen können, wenn man sie zu früh aufgegeben hätte.

Wer spricht für die, die nicht sprechen können?

In der aktuellen Debatte zur Organspende – insbesondere zur Einführung einer Widerspruchslösung – fehlt eine Perspektive: Die der Hirnverletzten selbst.

  • Wer sich nicht äußern kann, muss auf unsere besondere Fürsorge vertrauen können.
  • Wer sich nicht wehren kann, darf nicht vorschnell zum „Spender“ erklärt werden.
  • Wer im Grenzbereich des Bewusstseins lebt, braucht Schutz – nicht Ausschluss.

Würde kennt keine Diagnose. Und der Tod beginnt nicht mit dem Ende der Kommunikation.

Zwischen Vertrauen und Verantwortung

Es ist Zeit, Zeichen zu setzen – ja. Aber nicht nur für Organspende als humanitäre Geste. Sondern auch:

  • für ehrliche Aufklärung über die Grenzen der Hirntoddiagnostik,
  • für Schutzräume statt Schnellentscheidungen,
  • für Zweifel als legitimes Zeichen von Mitgefühl.

Wir sagen: Organspende kann ein Akt der Nächstenliebe sein – aber nur, wenn sie auf freier, informierter Entscheidung basiert. Und nur, wenn der Hirntod zweifelsfrei festgestellt wurde und der Organspender als Sterbender behandelt wird. Das sind wir nicht nur den Spendern, sondern auch den Empfängern schuldig.

SHV Baden-Württemberg fordert:

  • Einen stärkeren ethischen Diskurs über Hirntod und Tod.
  • Eine konsequente Einbindung von Selbsthilfe-Erfahrungen in Gesetzgebung und Aufklärung.
  • Den Schutz und die Rehabilitation neurologisch schwerstgeschädigter Menschen als Priorität – auch gegen ökonomische und systemische Interessen.

Ein Zeichen der Stille

An diesem Tag der Organspende schweigen viele, die etwas zu sagen hätten – aber leider als Spender nichts mehr sagen können.

An diesem Tag der Organspende schweigen viele, die etwas zu sagen hätten – aber leider im Koma nicht gehört werden.

Wir setzen heute ein Zeichen der Stille.

Für das Recht, zu leben. Für das Recht, zu hoffen. Für das Recht, nicht vorschnell aufgegeben zu werden.

Zeit, Zeichen zu setzen – für Leben, das nicht aufgibt.

 

Karl-Eugen Siegel




REHAB Karlsruhe 2025 – Selbsthilfe sichtbar machen

Drei intensive Messetage, zahllose Gespräche, viele berührende Momente – die REHAB Karlsruhe 2025 war für den SelbstHilfeVerband – FORUM GEHIRN e.V. Baden-Württemberg weit mehr als nur eine Fachmesse. Als Aussteller auf dem Gemeinschaftsstand der LAG Selbsthilfe Baden-Württemberg konnten wir wieder zeigen, was gelebte Selbsthilfe bedeutet: präsent sein, zuhören, Begegnung ermöglichen – und Perspektiven wechseln.

Gleich zu Beginn wurde klar, wie wichtig Sichtbarkeit ist. Der große Holzstuhl des Landesverbands Kleinwüchsiger Menschen lud zur Reflexion ein – buchstäblich. Wer sich hineinsetzte, wurde plötzlich selbst „klein“. Ein Erlebnis, das in einem nachdenklichen Gespräch mit einem kleinwüchsigen Kollegen mündete. Schnell wurde die Parallele deutlich: Auch bei Menschen mit erworbener Hirnverletzung bleibt vieles unsichtbar – kognitive Erschöpfung, Reizempfindlichkeit, Orientierungslosigkeit. Und auch wir stellen uns immer wieder die Frage, ob Selbsthilfe heute noch zeitgemäß ist. Die Antwort wurde durch solche Begegnungen spürbar: Ja – gerade deshalb.

Unser Stand war nicht nur ein Magnet für externe Besucher, sondern auch Anlaufstelle für Mitglieder, Kolleginnen aus anderen Verbänden und Fachleute. Besonders beliebt: unser Spiegelzeichengerät. Einige Besucherinnen erzählten, dass sie das Gerät bereits nachgebaut haben – ein schönes Zeichen dafür, dass unsere Ideen weiterwirken.

Ein besonderes Highlight: Am letzten Messetag war ich als Klinikclown unterwegs – mit Rollstuhl, roter Nase und viel Herz. Die Begegnung mit den Clownetten von xundlachen.de war für mich bewegend. Ihre Vision, Clownsbesuche in jeder Klinik, Rehaeinrichtung und jedem Hospiz zu etablieren, teile ich voll und ganz. Die Resonanz auf meinen kleinen Auftritt war überwältigend – ein Lächeln, das ankam. So wurde ich für ein paar Stunden selbst zum Symbol für das, was wir als Verband wollen: Leichtigkeit trotz Schwere, Begegnung trotz Barrieren, Hoffnung trotz Krankheit.

Auch fachlich war die Messe impulsreich: Am Stand der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) konnte ich den  Wegweiser „Rehabilitation und Teilhabe“ einsehen. Deutlich wurde jedoch erneut: Die Phase F – die Langzeitrehabilitation schwer hirnverletzter Menschen – bleibt in der Versorgungspraxis unterrepräsentiert bzw. wird gar nicht mehr angeboten. Die BAR kennt das Problem, doch die tragenden Institutionen zeigen bislang keine Initiative. Umso wichtiger, dass wir als Verband hier weiter am Ball bleiben: Ein Gesprächstermin mit der Fachabteilung der BAR ist bereits vereinbart.

Ein ausführlicher, bebilderter Bericht mit vielen weiteren Eindrücken und Begegnungen findet sich in der neuen Ausgabe des dialog (Nr. 30). Nichtmitglieder können diesen über die Geschäftsstelle bestellen.

Kontakt und Bestellung: info@shv-forum-gehirn.de




Leben.Würde

Am Samstag, dem 10. Mai 2025, eröffnete Prof. Dr. Jörg Benedict, Professor für Deutsches und Europäisches Privatrecht an der Universität Rostock, das Vormittagsplenum des Kongresses „Leben.Würde“ mit einem bemerkenswerten Vortrag zum Thema „Menschenwürde in Zeiten des Krieges“.

Menschenwürde in Zeiten des Krieges

In seinem Vortrag beleuchtete Prof. Benedict die Herausforderungen, denen das Konzept der Menschenwürde in kriegerischen Auseinandersetzungen gegenübersteht. Er analysierte, wie bewaffnete Konflikte die fundamentalen Prinzipien des humanitären Völkerrechts und die universellen Menschenrechte unter Druck setzen. Besonders betonte er die Gefahr, dass in Kriegszeiten die Unantastbarkeit der menschlichen Würde relativiert oder gar missachtet wird.

Prof. Benedict argumentierte, dass gerade in Zeiten des Krieges die Verpflichtung zur Achtung der Menschenwürde nicht aufgehoben, sondern umso dringlicher sei. Er verwies auf historische und aktuelle Beispiele, in denen die Missachtung der Menschenwürde zu schwerwiegenden humanitären Katastrophen geführt hat. Dabei unterstrich er die Rolle des Rechtsstaates und internationaler Institutionen bei der Wahrung und Durchsetzung der Menschenrechte, selbst unter den extremen Bedingungen bewaffneter Konflikte.

Ein zentrales Anliegen seines Vortrags war es, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass die Verteidigung der Menschenwürde nicht nur eine rechtliche, sondern vor allem eine moralische und gesellschaftliche Aufgabe ist. Er appellierte an die Verantwortung jedes Einzelnen und der Gemeinschaft, sich aktiv für den Schutz der Menschenwürde einzusetzen, insbesondere in Zeiten, in denen sie am stärksten bedroht ist.

Prof. Benedicts Vortrag war ein eindrucksvoller Beitrag zum Kongress, der die Teilnehmer dazu anregte, über die Bedeutung und den Schutz der Menschenwürde in Extremsituationen (wie dies auch bei unseren Wachkoma-Patienten der Fall ist /Anm. KES) nachzudenken und sich für deren Wahrung einzusetzen.

Bericht zum Kongress „Leben.Würde“ am 10. Mai 2025 in Schwäbisch Gmünd

Vom 9. bis 11. Mai 2025 fand im Christlichen Gästezentrum Schönblick in Schwäbisch Gmünd der zweite Kongress „Leben.Würde“ statt. Die Veranstaltung widmete sich dem Schutz der Menschenwürde in allen Lebensphasen und bot eine Plattform für Diskussionen über aktuelle bioethische Fragestellungen. Am Samstag, dem 10. Mai, nahm ich an zwei Seminaren teil, die sich mit dem Lebensrecht im politischen Prozess und der Selbstbestimmung am Lebensende befassten.

Seminar 1: Lebensrecht im politischen Prozess – Wie sage ich es meinem Abgeordneten?

Dieses Seminar wurde von Susanne Wenzel geleitet und bot praxisnahe Einblicke in die politische Arbeit für das Lebensrecht. Die Referentin erläuterte Strategien, wie man effektiv mit Abgeordneten kommunizieren kann, um Anliegen des Lebensschutzes zu vermitteln. Dabei wurden sowohl die Bedeutung einer fundierten Argumentation als auch die Notwendigkeit eines respektvollen Dialogs betont. Besonders hilfreich waren die Rollenspiele, in denen wir Gesprächssituationen mit Politikern simulierten und Feedback zu unserer Argumentationsweise erhielten.

Seminar 2: Mein Tod, meine Entscheidung? Die Kunst, in Würde zu sterben

Im zweiten Seminar referierte Michael Ragg über die ethischen und gesellschaftlichen Aspekte der Sterbehilfe. Er diskutierte die Herausforderungen, die sich aus der Legalisierung des assistierten Suizids ergeben, und stellte alternative Konzepte wie die Palliativversorgung vor. Besonders eindrucksvoll war die Diskussion über die Bedeutung von Würde und Selbstbestimmung am Lebensende sowie die Rolle von Angehörigen und medizinischem Personal in diesem sensiblen Prozess.

Insgesamt war der Kongress „Leben.Würde“ eine bereichernde Erfahrung, die sowohl fachliche Impulse als auch persönliche Reflexionen ermöglichte. Die Seminare boten wertvolle Einblicke in aktuelle Debatten und zeigten Wege auf, wie man sich aktiv für den Schutz der Menschenwürde engagieren kann.

Bericht von Karl-Eugen Siegel (k.e.siegel@shv-forum-gehirn.de)




Jeder Organspender war zuvor ein Mensch im Koma!

Kritische Aufklärung zur Organspende auf dem Kirchentag in Hannover – Der SHV-FORUM GEHIRN am Stand der KAO

Drei intensive Tage voller Gespräche, Begegnungen und kritischer Aufklärung – so lässt sich der Beitrag des SelbstHilfeVerbandes – FORUM GEHIRN e.V. zum 38. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hannover zusammenfassen. Am Stand der Initiative KAO – Kritische Aufklärung über Organtransplantation war auch der Landesverband Baden-Württemberg vertreten, angeführt von seinem Vorsitzenden Karl-Eugen Siegel.

Unter dem Leitsatz „Jeder Organspender war zuvor ein Mensch im Koma!“ setzte der SHV ein deutliches Zeichen für Menschenwürde, Lebensschutz und Aufklärung. „Wir kämpfen für das Recht auf Leben, auf Hoffnung und auf Würde – auch dann, wenn andere schon aufgegeben haben“, betonte Siegel in vielen Gesprächen mit Besucherinnen und Besuchern.

Dr. Martin Stahnke (rechts) und Karl-Eugen Siegel am Stand der Initiative KAO, Kirchentag Hannover 2025.

Der Stand der KAO war über die gesamten drei Tage ein belebter Ort kontroverser Diskussion. Neben Plakatwänden und Flyern standen zahlreiche Materialien zur Verfügung: persönliche Schicksalsberichte von Angehörigen, Stellungnahmen renommierter Expertinnen und Experten, Hintergrundinformationen zur Hirntoddiagnostik – und nicht zuletzt die detaillierten Organspendeausweise, mit denen Menschen differenzierter und bewusster ihre Haltung zur Organspende dokumentieren können.

Eine Stimme für die Angehörigen

Ein zentrales Motiv für das Engagement von Karl-Eugen Siegel auf dem Kirchentag war die wachsende Zahl an Berichten von Angehörigen aus Baden-Württemberg, die sich in den letzten Monaten Hilfe suchend an den Verband gewandt hatten. Immer häufiger werde – so ihre Aussagen – auf Intensivstationen das Thema Organspende angesprochen, obwohl Patientenverfügungen klar gegen eine solche Maßnahme gerichtet waren.
„Wenn Angehörige erleben müssen, dass der erklärte Wille eines Patienten nicht respektiert wird, ist das ein massiver Vertrauensbruch – gegenüber dem Menschen, der sich nicht mehr äußern kann, und gegenüber seinen Nächsten“, so Siegel.

Gerade der Kirchentag, an dem ethische Fragen des Lebensschutzes auf fruchtbaren Boden fallen, war ein idealer Ort, um auf diese Problematik aufmerksam zu machen. Viele der Besucherinnen und Besucher zeigten sich nachdenklich, hinterfragten ihre bisherigen Informationen zur Organspende oder nahmen Infomaterial mit, um sich tiefer mit der Thematik auseinanderzusetzen.

Gemeinsam für differenzierte Aufklärung

Am Stand kam es auch zu Begegnungen mit anderen Engagierten und Fachleuten, wie etwa dem Medizinrechtler und Publizisten Dr. Rainer Beckmann sowie dem Anästhesisten Dr. Martin Stahnke, die beide für eine klare ethische und rechtliche Orientierung im Umgang mit Hirntod und Organspende eintreten. Ein gemeinsames Foto von Karl-Eugen Siegel und Dr. Stahnke (2. Vorsitzender) am Stand der KAO dokumentiert die starke Vernetzung der Bewegung.

Die Teilnahme am Kirchentag war nicht nur ein Zeichen gegen die schleichende Einführung der Widerspruchslösung, sondern auch ein Aufruf: Organspende darf kein Automatismus werden. Sie muss Ausdruck eines freiwilligen, informierten und respektierten Willens sein – nie das Ergebnis von Druck, Unwissenheit oder übergehender Patientenverfügungen.

Mit ihrem klaren Standpunkt, tiefem Respekt vor jedem Menschenleben und einer Vielzahl an Informationsangeboten hat der SHV Baden-Württemberg gemeinsam mit der KAO einen starken Akzent gesetzt – für Menschlichkeit, für Selbstbestimmung, für Hoffnung.


Möchten Sie mehr über unsere Arbeit erfahren oder sich informieren, wie Sie Ihre Haltung zur Organspende klar dokumentieren können? Nehmen Sie Kontakt mit uns auf k.e.siegel@shv-bw.de
Detailliertes Informationsmaterial zum Thema finden Sie bei KAO

 




Selbsthilfe sichtbar machen

Der SHV-FORUM GEHIRN/Heidelberg beim 14. Deutschen Seniorentag

Unter dem Motto „Worauf es ankommt“ fand vom 2. bis 4. April 2025 der 14. Deutsche Seniorentag in Mannheim statt. Mit dabei: der SelbstHilfeVerband – FORUM GEHIRN, vertreten durch die Selbsthilfegruppe Heidelberg.

Am Stand des Gesundheitstreffpunkts Mannheim informierte Frau Nitspon, Leiterin der Heidelberger Gruppe, über die Herausforderungen und Perspektiven von Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen. In zahlreichen Gesprächen mit Besucher:innen wurde deutlich, wie groß das Interesse an neurologischer Selbsthilfe, an Austausch und Unterstützung in schwierigen Lebenssituationen ist.

Die Präsenz des SHV-FORUM GEHIRN sorgte für wichtige Aufmerksamkeit im Kontext des Seniorentags – denn auch im Alter sind viele Menschen direkt oder indirekt von Schlaganfall, Schädel-Hirn-Trauma oder anderen neurologischen Erkrankungen betroffen.

Im Bild: Frau Nitspon (rechts) – Leiterin der Selbsthilfegruppe Heidelberg des SHV-FORUM GEHIRN – am gemeinsamen Stand mit dem Gesundheitstreffpunkt Mannheim.

Der Austausch mit Fachpublikum, Betroffenen und Angehörigen war für alle Beteiligten bereichernd – und ein starkes Signal dafür, wie wichtig Sichtbarkeit, Vernetzung und gegenseitige Unterstützung sind.




Auf zur REHAB Karlsruhe vom 22. bis 24. Mai 2025!

Der Landesverband Baden-Württemberg des SelbstHilfeVerband – FORUM GEHIRN e.V. lädt Sie herzlich ein, uns auf der diesjährigen REHAB-Messe in Karlsruhe zu besuchen. Sie finden uns in Halle 3 am Stand L52.

Vor Ort stehen Ihnen engagierte Vertreter unseres Landesverbands, des SHV – FORUM GEHIRN e.V. sowie der Selbsthilfegruppe ceres Stuttgart e.V. für persönliche Gespräche zur Verfügung. Unser Anliegen ist es, Betroffene und Angehörige nach einer Hirnverletzung zu unterstützen – sei es nach einem Unfall, Schlaganfall, Hirntumor oder bei anderen Schädigungen des zentralen Nervensystems. Auch Menschen im Wachkoma mit intensivem Pflegebedarf finden bei uns Gehör und Begleitung.

Im Mittelpunkt unserer Arbeit stehen die Betroffenen und ihre Angehörigen.

Die REHAB öffnet in diesem Jahr bereits zum 23. Mal ihre Tore und ist eine der führenden Fachmessen für Rehabilitation, Therapie, Pflege und Inklusion. Mehrfach waren wir bereits dabei – und auch diesmal möchten wir die Gelegenheit nutzen, unsere Selbsthilfearbeit einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen.

An unserem Stand erhalten Sie Informationen zu Krankheitsbildern, die im öffentlichen Diskurs oft zu wenig Beachtung finden. Wir möchten ins Gespräch kommen – mit Betroffenen, Angehörigen, Therapeutinnen und Therapeuten, Medizinerinnen und Medizinern sowie allen Interessierten. Gleichzeitig freuen wir uns darauf, neue Mitstreiterinnen und Mitstreiter für unsere Selbsthilfearbeit zu gewinnen.

Besuchen Sie uns vom 22. bis 24. Mai 2025 in Halle 3, Stand L52.

Für Gespräche stehen Ihnen Herr Karl-Eugen Siegel, Herr Peter Holota und Frau Ingrid Zoeger gern zur Verfügung.

Wir danken der AOK Baden-Württemberg herzlich für ihre freundliche Unterstützung unseres Messeauftritts.




SHV Baden-Württemberg auf dem Kirchentag 2025 – mit Roman „Herzschlag“ im Gepäck

Der SHV-Landesverband Baden-Württemberg im Gespräch über Organspende und Widerspruchslösung

Vom 30. April bis 4. Mai 2025 ist der Landesverband Baden-Württemberg des SelbstHilfeVerbands FORUM GEHIRN e.V. auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hannover vertreten.
Sie finden uns gemeinsam mit der Initiative KAO am Stand 6-F37 in Halle 6 auf dem Messegelände.

Im Mittelpunkt stehen Gespräche zur geplanten Einführung der Widerspruchslösung bei der Organspende – und die damit verbundenen Fragen aus Sicht von potenziellen Organspendern, insbesondere von Patientinnen und Patienten im Koma oder im apallischen Syndrom (Wachkoma) sowie deren Angehörigen.

Karl-Eugen Siegel, Landesvorsitzender und selbst betroffen durch die Hirntoddiagnose seiner Frau im Jahr 1991, wird mit Besucherinnen und Besuchern über die ethischen, medizinischen und persönlichen Dimensionen dieser existenziellen Grenzsituation ins Gespräch kommen.
Denn: Bevor eine Hirntoddiagnose gestellt wird, befinden sich die betroffenen Menschen in einem Zustand tiefster Bewusstlosigkeit – und nicht selten werden die Angehörigen mit der Entscheidung zur Organspende überrumpelt, obwohl Fragen offenbleiben.

Die eigenen Erfahrungen von Karl-Eugen Siegel sowie die aktuelle politische Debatte haben ihn veranlasst, zum Kirchentag den Roman „Herzschlag“ zu veröffentlichen.
Das Buch erzählt die berührende Geschichte einer jungen Frau im Koma, eines kontroversen Hirntodbefunds – und einer Familie zwischen Zweifel, Verantwortung und Hoffnung.

Ein literarischer Beitrag, der aufrüttelt – und den Boden bereitet für tiefgehende Gespräche am Stand von KAO und SHV Baden-Württemberg.

Mehr zum Roman „Herzschlag“: Zur Rezension
Mehr zur Initiative KAO: www.initiative-kao.de