Drei Jahrzehnte gelebte Selbsthilfe – ceres Stuttgart feiert 30-jähriges Bestehen
Vom Versorgungsnotstand zur Selbsthilfebewegung

30 Jahre Selbsthilfearbeit – Laudatio für Ingrid Pramberger durch Karl-Eugen Siegel, Landesverband Baden-Württemberg
Am Samstag, den 29. März 2025, feierte ceres Stuttgart e.V. sein 30-jähriges Bestehen in der Sparkassenakademie Stuttgart. Zahlreiche Mitglieder, Freunde und Wegbegleiter waren der Einladung gefolgt, um dieses besondere Jubiläum zu würdigen.
Karl-Eugen Siegel, Mitinitiator von ceres Stuttgart, gab einen eindrucksvollen Rückblick auf drei Jahrzehnte engagierter Selbsthilfearbeit. Er erinnerte daran, wie der Verein im Jahr 1995 gegründet wurde – als direkte Reaktion auf die schwere Hirnverletzung von Suse L., die bei einer sportlichen Betätigung verunglückte. Damals war die Versorgungslage für Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen katastrophal. Die erst entstandenen Rehakliniken nahmen kaum schwerstbetroffene Patienten auf, und spezielle Pflegeeinrichtungen gab es nicht. Der Verein machte es sich zur Aufgabe, diese Lücke zu schließen.
Bereits im Folgejahr, 1996, konnte der Selbsthilfeverein in Kooperation mit ceres Sindelfingen das neurologische Therapiezentrum mit initiieren. 1997 folgte ein weiteres Zentrum in der Diakonie Stetten. In diesem Jahr wurde auch ein Nottelefon eingerichtet, das bis heute vielen Betroffenen und Angehörigen als erste Anlaufstelle dient. 1998 gründeten Mitglieder des Vereins die Gabriele Siegel Stiftung, um bundesweite Projekte besser fördern zu können.
Im Mai 1999 wurde der Bundesverband SHV e.V. gegründet, dessen Vorstand sich aus Mitgliedern von ceres Stuttgart zusammensetzte. Im selben Jahr entstand in Kooperation mit anderen Gruppen die erste gemeinnützige Integrationsfirma für Menschen mit Schädel-Hirnverletzungen in Ludwigshafen. Die Ausstellung „Brückenschlag“, die im Jahr 2000 in Stuttgart stattfand, präsentierte Werke von Betroffenen und zeigte eindrucksvoll, welches kreative Potenzial trotz schwerer Einschränkungen bestehen kann.
2001 führte die Gabriele Siegel Stiftung die internationale Woche des Gehirns in Deutschland ein – ein Impuls, der bis heute in zahlreichen Veranstaltungen, Vorträgen und Workshops aufgegriffen wird. Bereits 2002 entstand das Projekt „Leben im Heim“, das gezielt Menschen unterstützt, die nach einer Hirnschädigung in Pflegeeinrichtungen leben müssen. Dieses soll nach der Initiatorin Ingrid Pramberger auch weitergeführt werden. Im selben Jahr wurde die große Ausstellung „Das gläserne Gehirn“ im Stuttgarter Hauptbahnhof gezeigt – ein Projekt zur 50 Jahrfeier des Landes Baden-Württemberg, das in Kooperation mit der Firma Bosch Rexroth realisiert wurde und breite öffentliche Aufmerksamkeit erlangte.
Im Jahr 2008 fusionierte der SHV e.V. mit dem FORUM GEHIRN e.V. zum Bundesverband SHV-FORUM GEHIRN e.V.. 2009 folgte ein großer gemeinsamer Ausflug von Betroffenen nach Berlin, der deutlich machte, wie wichtig soziale Teilhabe auch nach schwerer Erkrankung ist. In diesem Jahr ging auch das mobile Ausstellungsprojekt „Erlebe Deine Sinne“ an den Start, das bis heute in ganz Süddeutschland zum Einsatz kommt. 2011 eröffnete der Verein die Praxis „Dr. Selbst“, die mit Workshops, Seminaren und meditativen Wanderungen neue Wege in der Gesundheitsförderung ging. Ab 2012 und bis zur Corona-Krise organisierte ceres Stuttgart jährlich Treffen mit anderen Selbsthilfegruppen – ein Austausch, der nicht nur fachlich, sondern auch menschlich bereichernd war. Bis heute finden monatliche Treffs bei Kiss Stuttgart statt, die ganz neu, durch die Zuschaltung zu einer Hybridveranstaltung werden. Zusätzlich werden immer öfters Zoom-Sitzungen angeboten und durchgeführt.
Im Rahmen des Jubiläums stellte Karl-Eugen Siegel auch das eigens entwickelte Spiel „Weg der Erinnerung“ vor. Das Spiel greift die neurologische Rehabilitation in sechs Phasen von A bis F auf und simuliert mit Würfeln und Aktionskarten den Weg durch Therapieeinheiten, Alltagssituationen und Rückschläge – ganz wie im echten Leben. Als besonderes Geschenk erhielten alle Gäste ein Exemplar dieses Spiels als Andenken an das außergewöhnliche Bestehen einer Selbsthilfegruppe, die über drei Jahrzehnte hinweg aktiv geblieben ist.
Der emotionale Höhepunkt der Veranstaltung war die Ehrung von Ingrid Pramberger, die seit der Gründung die Selbsthilfegruppe begleitet und seit 1999 als erste Vorsitzende von ceres Stuttgart tätig war. Karl-Eugen Siegel, heute Vorsitzender des Landesverbands SHV-FORUM GEHIRN e.V. Baden-Württemberg, überreichte ihr feierlich die Urkunde zur Ehrenmitgliedschaft – ein sichtbares Zeichen der Anerkennung für ihre jahrzehntelange, unermüdliche Arbeit.
Das 30-jährige Jubiläum von ceres Stuttgart e.V. war mehr als eine Feier – es war ein lebendiges Zeugnis dessen, was Selbsthilfe leisten kann: echte Veränderung, echte Solidarität, echte Hoffnung.
Wir danken auch der AOK Baden-Württemberg ganz herzlich für die Projektförderung, ohne die die Umsetzung dieser Projekte nicht möglich gewesen wäre