UN- Behindertenrechtskonvention für ALLE – Ein praktisches Beispiel
Mein heutiger Aufreger: Finanzamt
„Ein ganz praktisches Beispiel, oder besser gesagt mein heutiger Aufreger, verdeutlicht dies. Die Umsetzung der UN-BRK bedeutet für mich nicht nur, die speziellen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen (bei mir die Auswirkung mehrerer Schlaganfälle) zu berücksichtigen, sondern eine breitere Barrierefreiheit und Zugänglichkeit zu schaffen, die allen zugutekommt. Eine ausschließlich für Behinderte eingeführte Maßnahme würde ja erneut dem Sinn der Inklusion widersprechen. Durch die Anwendung einfacher inklusiver Maßnahmen in alltäglichen Verwaltungsprozessen, wie zum Beispiel einem Antwortschreiben an das Finanzamt, könnte man einen kleinen, aber wichtigen Schritt hin zu einer inklusiveren Gesellschaft machen.“
Der Ablauf, um ein ausgefülltes Antwortformular mit zwei Anhängen dem Finanzamt zuzumailen.
Obwohl ich – nachdem ich, getrieben von dem schlichten Wunsch, lediglich eine einfache E-Mail an meine zuständige Sachbearbeiterin beim Finanzamt senden zu dürfen, mich durch ein labyrinthisch verschachteltes Antwortformular kämpfen musste, dessen akribische Ausfüllung nicht nur die vollständige Preisgabe sämtlicher nur denkbarer persönlicher Daten wie Identifikationsnummer, Steuernummer, Geburtsdatum, Telefonnummer und – mutmaßlich – sogar einer bevorzugten Papierstärke erforderte, sondern darüber hinaus auch die technische Herausforderung zu bewältigen war, eine zuvor sorgfältig ausgefüllte und sodann mit beträchtlichem zeitlichem und nervlichem Aufwand in das vorgeschriebene PDF-Format überführte Datei auf einer eigens von den baden-württembergischen Finanzbehörden zu diesem Zwecke eingerichteten und mindestens ebenso undurchsichtigen wie umständlichen Sonderhomepage hochzuladen, um dann, nach mehrfacher, beinahe feierlich inszenierter Bestätigung meiner Absicht, das alles auch wirklich absenden zu wollen, lediglich ein Protokoll für meine Unterlagen zum Ausdrucken zu erhalten und im selben Zuge zu erfahren, dass – selbstverständlich aus Gründen der Datensicherheit! – jegliche Antwort auf mein Anliegen ausschließlich telefonisch oder, in historischer Kontinuität mit dem preußischen Beamtentum, per Post erfolgen könne, was angesichts des offenkundig kafkaesken und bis in die tiefsten Verästelungen des Finanzamts durchdeklinierten Gesamtprozesses, dessen Komplexität, Umständlichkeit und selbstgenügsame Verwaltungsverliebtheit nicht nur meine Geduld, sondern auch mein Vertrauen in die langfristige Überlebensfähigkeit eines solchen Staates sowie der dahinterstehenden Regierung auf eine existenzielle Probe stellte, weshalb ich mich, ernüchtert und gleichzeitig in der Klarheit meines Entschlusses bestärkt, gezwungen sah, aus diesem Verein – den man in höflicher Zurückhaltung noch als modernen Staat bezeichnen könnte – endgültig auszutreten, da sich, wie ich meine, das bevorstehende Scheitern eben jenes Systems bereits in der banalen Unmöglichkeit, eine simple E-Mail zu senden, schmerzhaft offenbart.
(Mit dem Schreibstil möchte ich Sie nur teilnehmen lassen an der Komplexität des Ablaufes.)
So, jetzt als ich das oben aufschreibe, ist mir bewusst geworden, dass ich die beiden Anhänge vergessen habe. Nein ich mute nur mir das ganze Prozedere nochmals zu. Wenn Sie mich trotzdem dabei begleiten wollen, dann gehen Sie einfach nochmals hoch und lesen den Text ab: „Obwohl ich – nachdem ich, …“ nochmals in ruhe durch. Vergessen Sie aber dabei nicht, an der richtigen Stelle die beiden Anhänge hochzulade. Übrigens mehr als 5 Dateien dürfen Sie auch nicht anhängen.
So, hurra geschafft.
Meine Vorstellung wäre: QR-Code → ELSTER → Dateien hochladen – fertig.
Denn wir, Menschen mit Behinderungen, sind doch keine ‚Hinterwäldler‘, die noch in der Zeit von handschriftlich ausgefüllten Formularen leben müssen – genauso wenig wie die Angehörigen unserer Schwerstbetroffenen. Doch leider sind es oft diejenigen, die Gesetze für uns erlassen, die glauben, dass die bloße gesetzliche Einführung bereits ausreicht. Fristsetzungen kommen immer nur einseitig vom Staat, während die Umsetzung der UN-BRK, insbesondere in staatlichen Stellen, nicht einmal einklagbar ist. Inklusion steht nur auf dem Papier – die tägliche Realität belegt das.
Und wie toll könnte eine inklusive Gesellschaft für alle sein, Behinderte wie Nichtbehinderte!
Noch ein Hinweis für die, die nun die Datensicherheit und DSGVO als Gegenargument anführen. Datensicherheit in Formularen ist extrem eingeschränkt und in diesem Formular werden alle meine persönlichen Daten, Adresse, Gebdatum, Steuer- und ID-Nummer, Adresse, etc. abgefragt, die für diesen Vorgang überhaupt nicht relevant sind. Und ich werde sogar dazu, durch Pflichtfelder, gezwungen. Die ID-Nummer, Anschreiben und Anlagen wären völlig ausreichend. Allein die möglichen Anhangsformate: „Folgende Formate werden akzeptiert: jpg, jpeg, png, bmp, gif, tif, tiff, pdf, docx, csv, xlsx, odt, ods, heif, avif, heic, txt.“ bergen jedoch erhebliche Risiken.