Frank unser Fachleerer!

In der dialog-Ausgabe 26 vom Mai 2023 berichtete Frank H. von seinem Schicksal.

Nun ist das Interview mit ihm hier zu sehen.

 

Frank erlebte am 8. Juni 1976 um 18:20 Uhr einen schweren Unfall, als er mit seinem Mokick von einem Auto erfasst wurde. Der Zusammenstoß führte zu einem doppelten Schädelbasisbruch, einer Gehirnerschütterung, einer Gehirnblutung und Hirnaustritt. Dank der schnellen medizinischen Versorgung und einer Operation in Günzburg konnte sein Gehirn erfolgreich gereinigt und an die richtigen Stellen zurückgebracht werden.

Trotz der schweren Verletzungen erlangte Frank nach und nach seine kognitiven Fähigkeiten zurück und begann eine Ausbildung zum Büropraktiker. Nach verschiedenen Rehabilitationszentren fand er schließlich eine Arbeitsstelle beim Evangelischen Pfarrverein in Stuttgart. Leider endete diese Anstellung aufgrund seiner Behinderung nach vier Monaten und er begab sich erneut auf die Suche nach Arbeit.

Das Arbeitsamt schlug vor, dass Frank in einer Behindertenwerkstatt arbeiten sollte, doch er war nicht bereit, das zu akzeptieren. Gemeinsam mit seinen Eltern erkundete er verschiedene Werkstätten, um nach Alternativen zu suchen. Schließlich fand er eine Anstellung bei der Bruderhaus Diakonie in Reutlingen und trat im November 1985 seine Arbeit dort an.

Anfangs waren Frank einfache Aufgaben in der Werkstatt für Behinderte zugewiesen, doch er kämpfte weiter und konnte schließlich den Postdienst in der Hauptverwaltung der Einrichtung übernehmen. Mit einem Lastendreirad verteilt er die Post in den verschiedenen Abteilungen und Häusern der Einrichtung. Sein Arbeitsalltag umfasst zwei Touren, in denen er die Post in den verschiedenen Bereichen verteilt. Zwischendurch hat er eine Mittagspause in der Kantine und nach Feierabend genießt er seine Freizeit.

Trotz der Herausforderungen, die der Unfall mit sich brachte, konnte Frank seine Fähigkeiten und Stärken wiederentdecken und eine erfüllende Arbeit finden. Seine Beharrlichkeit und Entschlossenheit ermöglichten es ihm, seine beruflichen Ziele zu verfolgen und erfolgreich zu sein.




Herausforderungen und Erlebnisse bei der Zugreise zur REHAB in Karlsruhe

Am 17.6.2023 wagten sich vier Mitglieder der ceres-Gruppe mit dem Zug zur REHAB nach Karlsruhe. Schon unsere Anreise zum Hauptbahnhof Stuttgart war eine ungeahnte Herausforderung. Frank aus Reutlingen musste bereits um 5 Uhr aufstehen, um mit Bus und Bahn zum Treffpunkt zu kommen. Ich konnte eine Stunde länger schlafen und war froh, rechtzeitig mit dem Auto losgefahren zu sein, denn meine anvisierte S-Bahn-Haltestelle war wegen Umbauarbeiten gesperrt worden. Im Internet fand ich dazu keinen Hinweis. Bharathy kam mit der S-Bahn aus Sindelfingen und Christine, unsere Stuttgarterin, kam zu Fuß zum Gleis 11. Wir S-Bahn-Reisenden mussten allerdings noch einen umständlichen, mindestens 10-minütigen Fußweg um den Bahnhof herum zu den Fernzügen zurücklegen. Die Umbauarbeiten für Stuttgart 21 bis Ende 2025 sind wirklich eine Zumutung für alle Reisenden, besonders aber für Menschen mit Behinderungen. Ich konnte jetzt verstehen, warum Frank sich darüber ärgerte und erschöpft beim regulären Treffpunkt der ceres-Gruppe in Stuttgart Stadtmitte ankommt.

ceres Gruppe

In der Vorplanung wollten wir zunächst die gemeinsame Zugfahrt nach Karlsruhe mit dem IC zurücklegen, entschieden uns aber aus Kostengründen für den Interregio. Zwei von uns hatten nämlich das 49-Euro-Ticket, und Frank, der eine Gehbehinderung hat, wollte seine kostenlose Wertmarke nutzen. IC- und ICE-Fahrten dürfen mit diesen Fahrausweisen nicht genutzt werden. Deshalb fuhr auch der IC nach Karlsruhe an diesem Samstag fast leer.

Am Bahnsteig 11 wimmelte es bereits um 8 Uhr morgens von Bahnreisenden. Ich sah auch viele Menschen mit Behinderungen, die sicherlich zur REHAB wollten, sowie erstaunlich viele Radfahrer mit ihren sperrigen Rädern. Zum Glück, dachte ich mir, leide ich nicht unter Platzangst und war froh, dass unser teilbeatmeter Rollstuhlfahrer mit seiner Frau und dem Pfleger kurzfristig abgesagt haben.  Am Wochenende dürfen die Inhaber von 49-Euro-Tickets eine weitere Person kostenlos mitnehmen, und Radfahrer konnten mit ihren Rädern ohne Einschränkungen in die Sitzplatzwaggons einsteigen. Ob die Bahn das organisatorisch gut geregelt hat und genügend Waggons für diesen Tag bereitgestellt hat? Ich hatte so meine Zweifel.

Der Zug des englischen Unternehmens Go Ahead fuhr pünktlich um 8.50 Uhr ein. Beim Öffnen der Türen stellte ich fest, dass ein behindertengerechtes Einsteigen aufgrund der nicht angepassten Bahnsteige für Frank zur nächsten Herausforderung wurde. Das Metalltrittbrett wurde zwar ausgefahren, befand sich aber gut 20 cm unterhalb der Bahnsteigkante. Auch war es nicht breit genug, um einen Fuß darauf abstellen zu können. Alle Fahrgäste mussten beim Einsteigen einen großen Schritt hinunter in den Zug machen. Wie schaffen das bloß Rollstuhlfahrer:innen und andere behinderte Menschen?

Frank, als routinierter Zugfahrer, hielt sich an der Stange des Zuges fest und wollte sich beherzt und mit ganzer Armeskraft hinunter in den Zug ziehen, als ein junger Mann noch schnell und rücksichtslos an Frank vorbeigehen wollte. Frank wurde dabei angerempelt und von der nachfolgenden Menschenmenge auch noch von hinten bedrängt. Er kam ins Straucheln und wäre beinahe in den Zug gestürzt. Dieses rücksichtslose Verhalten ließ Frank sich nicht gefallen, und er beschimpfte den jungen Mann. Dieser schien jedoch wenig beeindruckt zu sein und entschuldigte sich nicht einmal.

Wir ergatterten nach dem ersten Schreck vier schöne Sitzplätze, und die Fahrt konnte beginnen. Beim nächsten Halt allerdings der nächste Schreck, als mit einem lauten Knall von oben herab ein schwerer Rucksack knapp vor den Füßen der gegenübersitzenden Gäste landete. Zudem mussten wir eine sehr unangenehme Auseinandersetzung miterleben, als sich ein Radfahrer mit seinem Rad in den fast vollbesetzten Zug und zwischen stehende Fahrgäste drängen wollte, die ihm aber keinen Platz machten. Eine Zugreisende schimpfte fürchterlich, eine andere stand beherzt auf und schlichtete den Streit, und die Aufregung legte sich. Der Zug wartete unterdessen geduldig auf die Weiterfahrt. Wir hatten bereits 10 Minuten Verspätung.

In Karlsruhe angekommen, wurden wir von der chaotischen Menschenmenge die Treppe hinab gedrängt. Einen Aufzug oder eine Rolltreppe konnte ich in der Eile nicht entdecken. Nach einer weiteren 20-minütigen Fahrt mit dem Messebus erreichten wir kurz vor 11 Uhr, jedoch schon etwas erschöpft, die REHAB.

Die erste stärkende Kaffeepause wurde eingelegt, bevor wir uns auf die Suche nach dem Stand unseres Bundesverbandes SHV-FORUM GEHIRN e.V. machten. Das Standpersonal begrüßte uns überschwänglich, und wir freuten uns sehr, nach langer Zeit wieder bekannte Gesichter zu treffen. Meine Anspannung wich ein wenig.

Im Forum der LAG-Selbsthilfe hörten wir uns dann interessante Vorträge an. In der anschließenden Diskussionsrunde der unterschiedlichen Selbsthilfeverbände wurden viele Missstände beklagt, die von Politikern nicht erkannt werden. Ohne Druck durch Behindertenorganisationen wird es kaum besser werden. Um Verbesserungen zu erreichen, müssen Forderungen mühselig diskutiert und erstritten werden. Politiker:innen leben wohl in einer anderen Welt, abgewandt von der übrigen Bevölkerung. So nehmen sie die Problematiken eines Betroffenen nicht wahr. Sie genießen selbst eine gute Mobilität und wissen nichts von den chaotischen Zuständen beim Fahren mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Im Falle eines Gesundheitsschadens wird ihnen sicherlich auch eine bessere Zuwendung zuteil als der übrigen Bevölkerung.

Es gab viel Gesprächsstoff bei unserer verspäteten Mittagspause. Danach besuchten wir noch einzelne Messestände, um Informationen für unsere Bedürfnisse zu bekommen. Die Zeit eilte uns davon. Wir brauchten noch eine zweite Kaffeepause, um zu reden und zu entspannen, bevor wir uns gegen 17 Uhr auf die Rückfahrt nach Stuttgart machten. Dieses Mal hatten wir das Glück, weniger Reisende und Radfahrer anzutreffen, und die Bus- und Zugfahrt gestaltete sich angenehmer. Bis Stuttgart konnten wir unser Beisammensein und die vorbeieilende Landschaft genießen.

Am Ende unserer Reise waren wir froh, diesen Ausflug mit der Outdoor-Selbsthilfegruppe weitestgehend in guter und humorvoller Stimmung geschafft zu haben.

Im August planen wir eine Zugreise nach Ludwigsburg ins blühende Barock. Dann wird auch unser Rollstuhlfahrer mit Frau und Pfleger, die mit der S-Bahn kommen, dabei sein. Ich hoffe sehr, dass alles funktioniert und wir von Stuttgart aus eine entspanntere Zugreise genießen können.

Fazit: Das Fahren mit den Zügen ist in der heutigen Zeit eine Herausforderung für alle Reisenden und ganz besonders für unsere Behinderten. Es muss noch viel getan werden, damit das Zugfahren oder überhaupt das Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln wirklich spontan stattfinden kann und behindertengerecht ist. In Zeiten mit verbilligten Zugfahrten, die einen Massenansturm an Reisenden mit sich bringen, wäre es besser, wenn Behinderte auf ICs oder ICEs oder das Fahren in der 1. Klasse ausweichen könnten. Für Radfahrer und Rollstuhlfahrer müssten zudem extra Waggons bereitgestellt werden. Hier ist die Politik gefordert, Abhilfe zu schaffen, zumal sie ja plant, dass immer mehr Menschen mit dem Zug fahren müssen, um das Klima zu retten.

Unsere Gruppe liebt gemeinsame Ausflüge, vor allem nach fast drei Jahren der Einschränkungen, bzw. Verboten. Gemeinsam unterwegs zu sein ist nicht nur unterhaltsam, sondern wir tauschen uns aus und helfen uns gegenseitig. Persönlich bin ich jedoch froh, noch viele Fahrten auch mit meinem Auto unternehmen zu können. Dafür habe ich mir ein Hybridfahrzeug angeschafft, um die Umwelt etwas zu entlasten!

Ein Bericht von Ingrid Pramberger aus der Selbsthilfegruppe von ceres Stuttgart.




Die Selbsthilfegruppe gewinnt nach langer Corona-Pause wieder an Schwung

Nach einer langen Corona-bedingten Pause gelingt es der Selbsthilfegruppe von ceres Stuttgart, wieder an Schwung zu gewinnen. Trotz anfänglicher Online-Treffen und Kontaktprobleme normalisierten sich die Gruppentreffen nach und nach. Die Ansteckungsangst wich, und sogar neue Mitglieder schlossen sich der Gruppe an. Bei einem Treffen am 15. April 2023 war die Atmosphäre fröhlich und ausgelassen, und das gemeinsame Lachen trug zur „Selbsttherapie“ der Teilnehmer bei.

Infos zur Selbsthilfegruppe ceres Stuttgart.


„Ergänzende Informationen erhalten Sie in unserer Mitgliederzeitschrift ‚dialog‘ 1/2023“

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