„Herzschlag“ – Ein Roman, der unter die Haut geht

Mit Herzschlag gelingt Karl-Eugen Siegel ein ebenso aufrüttelndes wie tiefgründiges literarisches Werk, das weit über eine fiktive Fallgeschichte hinausgeht. Im Mittelpunkt steht die bewegende Geschichte der jungen Lena Müller, die nach einem Unfall im Koma liegt. Ihr Zustand wird zum Brennglas für zentrale Fragen unserer Zeit: Wie definieren wir Leben? Was bedeutet Menschenwürde im medizinischen Grenzbereich? Und wer entscheidet über Leben und Tod?

Doch dieser Roman ist weit mehr als eine persönliche Tragödie. Herzschlag verknüpft gekonnt die individuelle Geschichte mit realen gesellschaftlichen, politischen und ethischen Debatten. Eingebettet in die Handlung sind die aktuellen Diskussionen um die Widerspruchslösung, die Arbeit des Gesundheitsausschusses des Bundestages sowie Beiträge aus Medizin, Recht und Ethik. Dabei gelingt es dem Autor, komplexe Sachverhalte verständlich darzustellen – ohne dabei belehrend zu wirken.

Fiktion trifft Realität – und wird interaktiv

Ein besonderes Merkmal des Buches ist die digitale Erweiterung durch 40 QR-Codes, die direkt zu weiterführenden Quellen, Studien, Bundestagsdebatten, Experteninterviews und Medienberichten führen. Diese innovative Verknüpfung von Literatur und Realität macht das Buch zu einem interaktiven Leseerlebnis, das gleichermaßen informiert und berührt. Die Leser:innen erhalten fundierte Einblicke in medizinische Hintergründe zur Hirntoddiagnostik, ethische Fragestellungen und politische Entscheidungsprozesse.

In zahlreichen Fußnoten greift der Autor auch auf die Literatur des SelbstHilfeVerband – FORUM GEHIRN e. V. zurück, etwa zu Wachkoma, Rehabilitationsverläufen und Patientenrechten. Zudem fließen Impulse aus der Literatur von Dr. Hans-Dieter Zieger ein, der sich mit der Lebenswirklichkeit von komatösen Menschen auseinandersetzt. Diese Einbindungen verleihen dem Roman zusätzliche Tiefe und verankern ihn fest in der gegenwärtigen ethischen Diskussion.

Starke Charaktere – menschlich, zweifelnd, glaubwürdig

Die Figuren des Romans sind einfühlsam und vielschichtig gezeichnet. Da ist Anna, Lenas Mutter, die zwischen medizinischem Druck und mütterlicher Intuition hin- und hergerissen ist. Dr. Jonas Voss, der engagierte Intensivmediziner, der das gängige System in Frage stellt. Maja Köhler, Juristin und Lenas Tante, die sich in einem emotionalen und moralischen Dilemma wiederfindet. Und zwischen all den Spannungen entsteht eine leise Liebesgeschichte, die zeigt: Auch inmitten existenzieller Fragen bleibt Menschlichkeit möglich.

Ein Buch, das Mut macht – und zum Denken anregt

Herzschlag stellt unbequeme Fragen, zeigt gesellschaftliche und medizinische Grauzonen auf und fordert die Leser:innen auf, sich eine eigene Haltung zu bilden. Die Erzählung ist nah am Menschen, nah am Puls der Zeit – und dabei literarisch überzeugend und stilistisch feinfühlig.

Fazit:

Ein literarisch starkes, inhaltlich dichtes und gesellschaftlich hochrelevantes Werk, das neue Maßstäbe setzt – durch seine digitale Verknüpfung mit Originalquellen, durch seine Einbindung realer politischer Debatten und durch die intensive Auseinandersetzung mit Leben, Tod und Würde. Pflichtlektüre für alle, die sich für Medizinethik, Politik, Rehabilitationsfragen und unsere Haltung zum menschlichen Leben interessieren.

Bezugsquelle: Lachesis-Verlag




Herztod im Schafspelz: Der schleichende Umbau des Todesbegriff

Kritischer Bericht zur Antwort der Bundesregierung zur Organspende (BT-Drs. 20/15149)

Die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage vom März 2025 zum Thema Organspende offenbart gravierende Mängel in Transparenz, Argumentation und faktenbasierter Bewertung. Während das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) erneut betont, dass der irreversible Hirnfunktionsausfall zwingende Voraussetzung für eine postmortale Organspende sei, bleibt die Regierung eine differenzierte und ehrliche Auseinandersetzung mit der Thematik schuldig. Die Unkenntnis, die in Teilen der Antwort behauptet wird, erscheint nicht als tatsächliches Nichtwissen – sie wirkt vielmehr wie eine gezielte Irreführung sowohl gegenüber den Fragestellern als auch, weit schwerwiegender, gegenüber dem Souverän, der Bevölkerung.

Bezeichnend dazu ist bereits der Umgang mit der ersten Frage der Anfrage:

1. Liegen der Bundesregierung Untersuchungen oder Studien vor, aus denen hervorgeht, dass die Einführung einer Widerspruchsregelung nachweislich kausal zu einer Erhöhung der Organspendenzahlen führt, und wenn ja, welche?

Die Antwort verweist auf Studien zu Großbritannien, den Niederlanden und Schottland, die „positive Entwicklungen“ bei Organspenderzahlen feststellen würden, relativiert aber gleichzeitig deren Aussagekraft, da „Unterschiede in den Organspenderaten multifaktoriell“ seien und „Vergleichs- und Langzeitstudien nur bedingt aussagekräftig“ seien. Diese rhetorische Doppelstrategie ist irreführend: Einerseits werden Studien als Beleg zitiert, andererseits werden sie sofort entwertet – eine klassische Argumentation ohne Substanz.

Großbritannien (England)

Die Widerspruchsregelung wurde dort im Mai 2020 eingeführt. Laut dem NHS Blood and Transplant Report 2022/23 gab es in England 1.429 postmortale Organspender – nahezu identisch mit den 1.441 Spendern im Jahr 2019/20, also vor der Einführung. In den Jahren unmittelbar nach der Umstellung war teilweise sogar ein leichter Rückgang zu verzeichnen. Ein klarer Anstieg der Spenderzahlen lässt sich nicht erkennen – die erwartete Wirkung der Widerspruchsregelung blieb aus.

Schottland

Hier trat die Widerspruchsregelung im März 2021 in Kraft. Im ersten Jahr danach (2021/22) ging die Zahl der Organspender leicht zurück. Erst im Folgejahr (2022/23) gab es eine moderate Steigerung – allerdings lag diese weiterhin unter dem Niveau anderer britischer Regionen ohne Widerspruchsregelung. Auch hier wird deutlich: Die Gesetzesänderung allein bewirkt keine signifikante Zunahme, wenn sie nicht von weiteren Maßnahmen wie verbesserter Aufklärung, struktureller Optimierung und Vertrauensbildung begleitet wird.

Niederlande

Die Niederlande führten die Widerspruchsregelung („Act Active Donor Registration“) im Juli 2020 ein. Seitdem gilt jeder Bürger automatisch als Organspender, sofern er nicht aktiv widerspricht oder eine andere Entscheidung dokumentiert. Die Einführung wurde begleitet von intensiver medialer und politischer Debatte – sowie einer groß angelegten Informationskampagne.

Ein Blick auf die Spenderstatistik zeigt zunächst einen scheinbaren Erfolg: Laut Eurotransplant stiegen die Spendenzahlen von 14,4 Spendern pro Million Einwohner (pmp) im Jahr 2020 auf 20,1 pmp im Jahr 2024 – ein Anstieg, der auf den ersten Blick die Wirksamkeit der Widerspruchsregelung nahelegt. Doch dieser Eindruck täuscht.

Denn in den Niederlanden existieren – wie in den meisten europäischen Ländern – zwei verschiedene Todesdefinitionen:
– DBD (Donor after Brain Death) – Spende nach Hirntod
– DCD (Donor after Circulatory Death) – Spende nach Herz-Kreislauf-Stillstand (nach 5–10 Minuten ohne Herzschlag)

Schaubild 2 zeigt die Gesamtsumme, die sich aus DBD und DCD zusammensetzt. Die hohe Zahl von 20,1 pmp im Jahr 2024 ergibt sich vor allem durch den massiven Anstieg der DCD-Spenden – einer Praxis, die in Deutschland noch nicht erlaubt ist. Allerdings wurde die DCD bereits bei der Diskussion um die Cross-over-Spende,als weitere Möglichkeit mehr Organe zu gewinnen, eingebracht.

Bemerkenswert ist zudem, dass in den Niederlanden auch Organspenden nach aktiver Euthanasie zur Transplantation zugelassen sind.

Geht man davon aus, dass in Deutschland dieselben Bedingungen herrschten wie in den Niederlanden – also die Zulassung von Organspenden nach Hirntod (DBD), nach Herzstillstand (DCD) sowie nach Euthanasie –, würden auch hier vergleichbar hohe Spenderzahlen erreicht werden.

Jahr

Niederlande
(DBD)

Niederlande
(DCD)

Niederlande
(Euthanasie)

Gesamt NL

Deutschland
(nur DBD)

Deutschland
(DBD u.DCD)

2020

5,75 pmp

7,82 pmp

0,63 pmp

14,2 pmp

10,7 pmp

15,18

pmp

2024

6,98 pmp

11,34 pmp

1,79 pmp

20,1 pmp

10,9 pmp

19,50

pmp

Die Einführung der Widerspruchsregelung allein wird jedoch keine signifikanten Zuwächse bringen, denn sie erhöht nicht die Zahl der Patienten, die in den Hirntod fallen.

Die in anderen europäischen Ländern teilweise hohen Spenderzahlen resultieren vor allem daraus, dass die Spenderbasis dort auf einen erheblich erweiterten Krankheits- und Todespool ausgedehnt wurde – auf Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillstand. Und genau dies ist der eigentliche Hintergrund der politischen Bemühungen um die Widerspruchsregelung: Die schrittweise Vorbereitung auf eine Ausweitung der Todesdefinition – hin zum Herz-Kreislauf-Tod.

Die Antwort der Bundesregierung ist kein Ausdruck wissenschaftlich fundierter Gesundheitspolitik, sondern ein Versuch, durch unklare und widersprüchliche Aussagen eine politisch gewünschte Position zu stützen. Die tatsächliche Wirkung der Widerspruchsregelung auf die Spenderzahlen wird weder belegt noch sachlich analysiert. Stattdessen erleben wir eine Rhetorik der Schein-Begründungen – ein fragwürdiger Umgang mit einem hochsensiblen Thema, das Leben und Tod betrifft.

Quellen:

Kleine Anfrage: Umsetzung des Transplantationsgesetzes https://dserver.bundestag.de/btd/20/150/2015095.pdf

Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage https://dserver.bundestag.de/btd/20/151/2015149.pdf

Statistik von Eurotransplant: https://statistics.eurotransplant.org/?utm_source=chatgpt.com, 17.04.2025




Anhörung im Gesundheitsausschuss: Widerspruchslösung

„Wieder dieselben Argumente – doch eine Stimme sticht heraus“

Die Anhörung zur Organspendereform brachte wenig Überraschendes: Die alten Argumente wurden erneut vorgetragen, ohne wirklich neue Erkenntnisse zu liefern. Einen Bericht über die Ausschusssitzung können Sie hier lesen.

Doch mitten in dieser routinierten Debatte sorgte eine Stimme für Aufsehen – Ulrike Sommer sprach mit eindringlicher Klarheit über ihre persönliche Entscheidung und die ethischen Herausforderungen der Organspende. Ihre Worte hatten eine besondere Stärke, die mich an frühere Aussagen von Frau Greinert (Buchbesprechung) erinnerte. Bedauerlicherweise findet dieser, meiner Meinung nach beeindruckendste Beitrag, weder in der Presseerklärung des Bundestags noch in den Medien Erwähnung. Es ist nicht das, was politisch gehört werden soll!

Die eindringliche Stellungnahme von Frau Sommer

Frau Sommer eröffnete ihre Rede mit einer höflichen, aber bestimmten Begrüßung: „Ganz herzlichen Dank, Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren. Ich bin Ulrike Sommer. Ich bin Journalistin. Ich bin Autorin.“ Dann berichtete sie von ihrer persönlichen Geschichte. Sie erhielt 1994 die Diagnose, dass ihre Zystennieren zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr versagen würden. Diese Prognose gab ihr 20 Jahre Zeit, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob sie ein Organ eines verstorbenen Menschen annehmen würde.

Besonders bewegend war ihr persönliches Gedankenexperiment über ihre damals vierjährige Tochter: „Weil ich Fantasie habe, habe ich mir überlegt, sie liegt in ihrem Bettchen nach einem schweren Unfall und das Herzchen klopft noch, und die Ärzte sagen, sie ist tot. Und wir würden gerne anfangen. Und ich konnte das nicht. Ich konnte nicht Ja sagen.“ Sie betonte, dass sie Organspenden für wichtig halte, aber dass eine Organentnahme ohne Zustimmung für sie nicht akzeptabel sei.

Frau Sommer sprach über die Unzulänglichkeiten der aktuellen Praxis in Bezug auf den festgestellten Hirntod. Sie wies darauf hin, dass Maschinen bestimmen, ob ein Mensch hirntot sei und dass damit der Todeszeitpunkt vorverlegt werde. Sie unterstrich, dass auch unter der Widerspruchsregelung Eltern weiterhin über eine mögliche Organspende ihrer verstorbenen Kinder entscheiden müssten, was das grundlegende Problem nicht verändere.

In ihrer Rede sprach Frau Sommer auch über ihre persönliche Lösung: Ihr Ehemann spendete ihr vor elf Jahren eine Niere. Sie sagte mit Nachdruck: „Zum Glück hat mein Mann mir eines seiner beiden Nieren geschenkt. Ich bin seine Wanderniere.“ Doch sie stellte klar, dass sie sich nicht auf eine Organwarteliste setzen würde, falls diese Niere versagen sollte. „Denn ich kann nicht nehmen, was ich nicht geben will. Das ist für mich ganz klar.“ Dies zeigt die ethische Konsequenz ihrer Position.

Weiterhin beschrieb sie, wie tiefgreifend eine Organtransplantation für das Leben der Betroffenen ist: „Eine Transplantation ist körperlich und emotional eine unfassbare Herausforderung. Der Alltag wird auf den Kopf gestellt, jedenfalls bei uns, inklusive heftiger Gefühle von Schuld bis Dankbarkeit – für beide Seiten.“ Ihr Appell war, dass eine Organentnahme niemals als routinemäßige medizinische Maßnahme betrachtet werden dürfe.

Frau Sommer kritisierte die Widerspruchsregelung scharf, weil sie darauf abziele, dass Menschen sich nicht mit dem eigenen Tod auseinandersetzen: „Die Widerspruchslösung spekuliert darauf, dass möglichst viele Menschen nicht über die konkreten Umstände ihres Todes nachdenken.“ Sie betonte, dass es ein Recht sein müsse, nicht gezwungen zu werden, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen.

Ihr Abschluss war ein eindringlicher Appell: „Eine Organspende im Leben oder im Tod ist für mich ein unfassbares Geschenk. Und ich finde, man muss wenigstens fragen.“

Die Worte von Frau Sommer waren außergewöhnlich eindringlich und persönlich. Ihr Plädoyer verdeutlichte, dass Organspende keine Selbstverständlichkeit ist, sondern eine zutiefst ethische Entscheidung, die bewusst getroffen werden muss. Dass ihr Beitrag in den offiziellen Berichten und Medien kaum Beachtung findet, ist bezeichnend dafür, welche Stimmen in der Debatte bevorzugt werden. Ihre Haltung macht deutlich, dass die Frage nach der Organspende weit über eine gesetzliche Regelung hinausgeht – es ist eine Frage des Menschenbildes und der Selbstbestimmung.

Die gesamte Anhörung können Sie in der Mediathek des Bundestags abrufen (Bitte etwas herunterscrollen).




Organentnahme abgebrochen: Patient erwacht trotz Hirntod-Diagnose im OP

Wie die New York Post erst am 18. Oktober 2024 berichtete, ereignete sich im Oktober 2021 im Baptist Health Richmond Hospital in Kentucky ein schockierender Vorfall: Der 36-jährige Anthony Thomas „TJ“ Hoover wurde nach einer Überdosis Drogen ins Krankenhaus eingeliefert und dort für hirntot erklärt. Während der Vorbereitung zur Organentnahme zeigte er jedoch plötzlich deutliche Lebenszeichen.

Natasha Miller, eine Organpräparatorin, war an diesem Tag im Operationssaal anwesend. Sie berichtete, dass Hoover beim Hereinrollen in den Raum Anzeichen von Leben zeigte: „Er bewegte sich – er schlug um sich. Und als wir dann hinübergingen, konnte man sehen, dass ihm die Tränen kamen. Er weinte sichtlich.“

Diese unerwarteten Reaktionen führten dazu, dass zwei der anwesenden Ärzte ihre Teilnahme an der Operation verweigerten. Dennoch versuchte die Fallkoordinatorin der Kentucky Organ Donor Affiliates (KODA), andere Ärzte zu finden, um den Eingriff fortzusetzen. Miller erinnerte sich: „Die Koordinatorin rief also die damalige Vorgesetzte an. Und sie sagte, er habe ihr gesagt, sie müsse ‚einen anderen Arzt dafür finden‘ – ‚wir würden diesen Fall übernehmen. Sie muss jemand anderen finden‘.“

Nyckoletta Martin, eine weitere KODA-Mitarbeiterin, entdeckte bei der Untersuchung von Hoovers Fall, dass er während einer Herzkatheteruntersuchung am selben Morgen aufgewacht war und sich auf dem Tisch gewälzt hatte. Trotz dieser Anzeichen von Bewusstsein wurde Hoover lediglich sediert, und die Vorbereitungen zur Organentnahme wurden fortgesetzt.

Dieser Vorfall führte zum Rücktritt mehrerer KODA-Teammitglieder. Martin äußerte ihre Besorgnis: „Ich habe mein ganzes Leben der Organspende und -transplantation gewidmet. Es macht mir große Angst, dass diese Dinge nun passieren dürfen und es keine besseren Maßnahmen zum Schutz der Spender gibt.“

Hoover überlebte den Vorfall und lebt nun bei seiner Schwester, Donna Rhorer, die als seine gesetzliche Vormundin fungiert. Obwohl er sich in vielerlei Hinsicht erholt hat, kämpft er weiterhin mit Gedächtnisproblemen sowie Schwierigkeiten beim Gehen und Sprechen.

Vertreter von KODA bestritten, dass ein Mitglied ihrer Organisation Ärzte angewiesen hätte, an einem lebenden Patienten eine Organentnahme durchzuführen. Sowohl der Generalstaatsanwalt von Kentucky als auch die US-amerikanische Gesundheitsbehörde Health Resources and Services Administration untersuchen derzeit den Vorfall.

Quellen: New York Post, The Guardian, t-online

Kommentar:

Dieser Fall wirft erneut ernsthafte Fragen zur Zuverlässigkeit der Hirntod-Diagnose und zu den ethischen Praktiken bei der Organentnahme auf.

Es gibt keine wissenschaftlichen Studien, die belegen könnten, dass sterbende Menschen im Zustand des Hirnversagens (Hirntod) nichts mehr empfinden. Es ist eine Hypothese, eine Annahme, die die Transplantationsmediziner aufgestellt haben. Auch dieser Fall von Anthony Thomas Hoover zeigt, dass deutliche Zeichen des Lebens, bei einem „definierten Hirntod“ eben als Reflexe abgetan werden.

Auf meine Kritik an der Auffassung, dass Hirntote Tote sind und nicht, wie ich es, bei meiner Frau erlebt habe, eine Sterbende, wird immer wieder stereotypisch geantwortet: Wachkomapatienten sind keine Hirntote! – Ich glaube behaupten zu dürfen, dass ich nach über dreißig Jahren, in denen ich mich für Hirnverletzte und vielen Wachkomapatienten eingebracht habe, den Unterschied sehr wohl kenne. Doch es scheint, so auch der Fall Hoover, dass diese Unterscheidung den Transplantationsmedizinern bis heute nicht klar ist, bzw. die Verantwortlichen in Medizin und Politik nicht eingestehen wollen. Wie nah ein Wachkomapatient dem „Hirntod“ ist, zeigt doch dieser Fall wieder einmal ganz deutlich.

Ein „Hirntoter“ ist keine Leiche, kein Toter im gesellschaftlichen Sinn. Er ist ein Sterbender, der normalerweise nicht mehr ins bewusste Leben zurückkehren kann – es sei denn, er heißt Anthony Thomas Hoover.




Organspende – Die Stimme einer Mutter für Aufklärung und Menschlichkeit

Renate Greinert erzählt in ihrem Buch „Unversehrt sterben! Konfliktfall Organspende“ eine zutiefst persönliche und aufrüttelnde Geschichte, die weit über ihre eigene Erfahrung hinausgeht. Als Mutter eines Kindes, das sie für eine Organspende freigegeben hat, schildert sie die emotionalen, ethischen und medizinischen Konflikte, die mit der Transplantationsmedizin verbunden sind. In einer emotionalen Ausnahmesituation, unwissend und den Ärzten vertrauend, stimmte sie der Organspende zu. Doch diese Entscheidung ließ sie nicht los:

Tief in mir drin, weiß ich, dass ich mit meiner Zustimmung zur Organspende etwas Entsetzliches getan habe. Ich weiß nur nicht, was!“ (S. 44)

Daraufhin begibt sie sich mit dem Leser auf die Suche nach diesem „was“ – einer quälenden Frage, die sie durch ihre Erfahrungen, Recherchen und Reflexionen immer weiter ergründet. Schritt für Schritt deckt sie auf, was ihr in der emotionalen Ausnahmesituation verwehrt blieb: eine umfassende, ehrliche und erschreckende Aufklärung über die Konsequenzen ihrer Entscheidung.

Diese, ihre zentrale Botschaft: Aufklärung muss ehrlich und umfassend sein – und der Sterbende darf niemals zu einen Ressource degradiert werden.

Die Notwendigkeit ehrlicher Aufklärung

Renate Greinert ist überzeugt: Wer sich für oder gegen eine Organspende entscheidet, muss dies auf Grundlage vollständiger Informationen tun können. Sie beschreibt eindringlich, wie Angehörige ohne ausreichende Aufklärung und unter enormem Druck zu einer Entscheidung gedrängt werden:

Doch die Tragweite ihrer Entscheidung wird ihr erst später klar. Sie fühlt sich, als hätte man sie und ihre Familie um eine würdevolle Sterbebegleitung betrogen:

Ich erkenne erst viel später, dass wir uns um eine Sterbebegleitung haben berauben lassen.“ (S. 72)

Der Sterbende als Mensch, nicht als Ressource

Einen Schwerpunkt legt Greinert auf die Wahrnehmung des sterbenden Organspenders. Sie hinterfragt die Definition des Hirntods, der in ihrer Ansicht weniger ein tatsächlicher Tod als ein Mittel ist, um Organentnahmen zu rechtfertigen. Besonders bedrückend ist eine Schilderung der Organentnahme:

Der angeblich tote Spender verhält sich während der Entnahme so wie ein lebender Patient, der während der Operation anfängt aufzuwachen und Schmerzen empfindet.“ (S. 100)

Sie fordert, dass der Sterbeprozess eines Menschen respektiert werden muss – auch dann, wenn er als Organspender infrage kommt. Greinert kritisiert, dass Organspende und Sterbebegleitung sich gegenseitig ausschließen:

Die Verantwortung der Gesellschaft

Greinert wirft auch einen kritischen Blick auf die Gesellschaft und die Transplantationsmedizin, die Organspende oft als rein positives Thema darstellt. Sie prangert an, dass diese Sichtweise die Rechte und Bedürfnisse des Sterbenden außer Acht lässt:

Die Transplantationsmedizin klärt selbstverständlich auf, aber nur einseitig werbend.“ (S. 142)

Besonders beunruhigt sie, wie wenig die Betroffenen selbst über die tatsächlichen medizinischen Prozeduren wissen. Sie berichtet zum Beispiel von dem umstrittenen Apnoetest, der durch die Entziehung der Beatmung irreparable Schäden verursachen kann, um den Hirntod zu diagnostizieren:

Wenn die Angehörigen um die Brutalität und Risiken dieses Verfahrens wüssten, würden die meisten ihre Zustimmung verweigern.“ (S. 164)

Der Verlust des natürlichen Sterbens

Für Menschlichkeit und Respekt im Sterben

Renate Greinerts Buch ist ein eindringlicher Appell für eine ehrliche und differenzierte Aufklärung über die Organspende. Es geht ihr nicht darum, Menschen von einer Organspende abzubringen, sondern sie in die Lage zu versetzen, eine informierte und bewusste Entscheidung zu treffen. Sie fordert, dass der Sterbende als Mensch gesehen wird, dessen Rechte und Würde auch in seinen letzten Stunden gewahrt bleiben:

Die Entscheidung, ob ja oder nein, darf nur nach wirklich umfassenden Informationen fallen.“ (S. 200)

Ihre Worte hinterlassen einen starken Eindruck: Organspende kann das Sterben hinausschieben – aber niemals um den Preis, den Sterbeprozess eines anderen Menschen zu verkürzen oder ihn seiner Würde zu berauben.

Auch die Frage nach ihrer persönlichen Entscheidung für eine Organspende für sich und ihre Kinder, bleibt Renate Greinert dem Leser nicht schuldig. (S.200)

Kritische Reflexion zur Organspende: Ehrliche Aufklärung über Hirntod erforderlich

Am 15. Dezember stimmte der Bundesrat einer Initiative von Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hessen zur Einführung der Widerspruchslösung für Organspenden zu. Diese Initiative zielt darauf ab, jeden automatisch als Organspender zu betrachten, es sei denn, es wird ausdrücklich widersprochen. Gesundheitsminister Manne Lucha sieht darin die Möglichkeit, die stagnierende Organspendenbereitschaft in Deutschland zu erhöhen.

„Die erneute Hervorhebung der Problematik der Spendenbereitschaft ist berechtigt“, so Karl-Eugen Siegel, stellvertretender Vorsitzender „doch es bedarf einer ehrlichen Aufklärung über den Hirntod, um eine informierte Entscheidung zu ermöglichen.“ Die derzeitige Zustimmungsregelung, so Minister Lucha, hat dazu geführt, dass in Baden-Württemberg nur bei 35 Prozent der Organspendefälle der Wille des Verstorbenen bekannt war. Nur 15 Prozent hatten schriftlich zugestimmt.
Siegel kommentiert: „Diese Zahlen unterstreichen die Notwendigkeit, nicht die Zustimmungsregelung zu ändern, sondern die Kommunikation über die Grundlagen der Organspende, also den Hirntod, zu führen. Ein transparenter und ehrlicher Diskurs über dieses Thema ist entscheidend, um das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen und sicherzustellen, dass sie gut informierte Entscheidungen treffen können. Eine bloße Gesetzesänderung allein wird nicht ausreichen, um die Organspendenbereitschaft nachhaltig zu steigern.“

Es ist wichtig zu betonen, dass die Idee, die die Politik mit der Widerspruchslösung verfolgt darauf gerichtet ist, nicht aufgeklärte Bevölkerungsteile per Gesetz automatisch zu Organspendern zu machen. Das dürfte sogar zu Beginn durchaus den gewünschten Zweck erfüllen.
Doch ein kritisches Bewusstsein und die Gewissheit, dass die Bevölkerung die notwendigen Informationen besitzt, sind essenziell für eine dauerhafte Lösung dieser ethischen Fragestellung. Die Bundesregierung sollte daher nicht zum x. Mal eine Gesetzesänderung vorantreiben, sondern endlich eine umfassende und ehrliche Aufklärungskampagne über den Hirntod initiieren.

Die Hoffnung auf einen positiven Wandel in der Organspendenkultur bleibt bestehen, jedoch erfordert dies mehr als nur eine gesetzliche Änderung. Eine offene und ehrliche Kommunikation ist der Schlüssel, um das Vertrauen der Menschen zu gewinnen und eine nachhaltige Verbesserung in der Organspendenbereitschaft zu erreichen.

Quellen:

sozialministerium.baden-wuerttemberg.de – Zustimmung für Einführung einer Widerspruchslösung bei…

zeit.de – Was Sie zur Organspende wissen sollten

Karl-Eugen Siegel, betreute 3 Monate seine hirntote Frau (potentielle Organspenderin) und sieht durch diese Erfahrungen, die medizinische Definition von Hirntot nicht als Tod des Menschen, allerdings als einen Zustand in dem bisher niemand wieder in ein bewusstes Leben zurückgekehrt ist, an.

Wer sich in diesem Bewusstsein zu einer Organentnahme bereit erklärt, sollte mit höchstem Respekt geachtet werden. Dieses ganz persönliche Geschenk kann und darf nicht als eine Selbstverständlichkeit oder gar als Zwang (Nötigung) eingefordert werden.