Gefährliche Eile: Wird die Widerspruchslösung durch den Bundestag gepeitscht?

Im Deutschen Bundestag spitzt sich die Diskussion um die Einführung der Widerspruchslösung bei der Organspende weiter zu. Ein von einer Gruppe um Sabine Dittmar, Dr. Karl Lauterbach, Jens Spahn und 220 weiteren Abgeordneten initiierter Gesetzentwurf wurde bereits eingebracht und sorgt für erhebliche Spannungen. Die Gruppe argumentiert, dass die Widerspruchslösung dringend nötig sei, um die stagnierenden Organspendezahlen zu steigern und Patienten eine bessere Chance auf ein rettendes Organ zu geben.

Trotz einer interfraktionellen Vereinbarung, ethisch-moralische Themen nicht während des Bundestagswahlkampfs zu debattieren oder zu entscheiden, wurde der Gesetzentwurf eingebracht und auf die Tagesordnung gesetzt. Laut inoffiziellen Quellen soll die erste Lesung des Entwurfs bereits am Freitag, den 29. Januar 2025, stattfinden. Gegner der Widerspruchslösung, die sich selbst als Befürworter alternativer Lösungen bezeichnen, sehen dies kritisch. Sie beängstigen eine Überhastung des Prozesses und befürchten, dass bereits am 31. Januar 2025 die zweite Lesung und die Abstimmung über den Entwurf erfolgen könnten.

Ein zentraler Punkt der Kritik ist die potenzielle Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts durch die Widerspruchslösung. Diese sieht vor, dass jede Person als potenzieller Organspender gilt, sofern sie nicht zu Lebzeiten aktiv widersprochen hat. Stattdessen betonen die Kritiker, dass der Fokus auf einer Verbesserung der organisatorischen Rahmenbedingungen liegen sollte, um die Zahl der Organspenden nachhaltig zu erhöhen.

Gegenentwurf von Stephan Pilsinger

Parallel zu diesem Gesetzentwurf plant der CSU-Abgeordnete Stephan Pilsinger die Einbringung eines eigenen Vorschlags, der eine verbindliche Entscheidungslösung vorsieht. Diese Lösung würde jeden Bürger verpflichten, eine ausdrückliche Entscheidung zur Organspende zu treffen und diese in einem Register zu hinterlegen. Ziel sei es, die Entscheidungsfreiheit zu wahren und gleichzeitig eine klare Dokumentation zu schaffen.

Pilsinger argumentiert, dass statt der Widerspruchslösung die Rahmenbedingungen für Organentnahmen verbessert werden sollten, beispielsweise durch gezielte Förderung von Entnahmekrankenhäusern und Sensibilisierungskampagnen. Sein Entwurf stützt sich auf die Prämisse, dass der Dialog über Organspende weiterhin freiwillig und bewusst bleiben muss, ohne die Bürger zu bevormunden.

„Die geplante Debatte über die Widerspruchslösung darf keines der zentralen politischen Themen vor der Bundestagswahl werden.“ so der Bundesvorsitzende des SHV-FORUM GEHIRN e.V. „Die schnelle Abfolge von Lesungen und die mögliche Abstimmung innerhalb weniger Tage ist ein Novum in der Behandlung eines solch sensiblen Themas. Und nicht nur das Recht auf Selbstbestimmung sondern vor allem das Recht auf Unversehrtheit wird hier eindeutig missachtet. Ich glaube den wenigsten Parlamentarier ist klar, dass es nicht um ein Abwägen zugunsten der Organempfänger geht, sondern um den Schutz des potentiellen Organspenders.“

Weitere Berichte zu dem Thema finden Sie unter „Ethik in Medizin / Ethik in Politik“

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