„3 Menschen sterben pro Tag, weil keine Organe zur Verfügung stehen“

Die Zahl „3 Menschen pro Tag sterben, weil keine Organe zur Verfügung stehen“ ist korrekt, aber isoliert betrachtet wenig aussagekräftig. Sie blendet andere wichtige Kontexte aus, wie etwa die höhere Sterblichkeit durch Suizide, Verkehrsunfälle, Drogen oder Mangelernährung. Die Diskussion sollte darauf abzielen, alle Todesursachen differenziert zu betrachten, ihre tatsächliche Vermeidbarkeit zu analysieren und die gesellschaftlichen Prioritäten entsprechend auszurichten. Jeder Todesfall ist tragisch, doch Zahlen sollten stets in einem umfassenderen Kontext verwendet werden, um fundierte Entscheidungen in der Gesundheitspolitik zu treffen.

Die Aussage, dass täglich drei Menschen in Deutschland sterben, weil keine Organe zur Verfügung stehen, wird häufig in der öffentlichen Diskussion um die Einführung der Widerspruchslösung zitiert. Diese Zahl basiert auf Daten der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) und anderer Organisationen. Ein kritischer Vergleich mit anderen Todesursachen zeigt jedoch, dass diese Zahl in Relation gesetzt und differenziert betrachtet werden sollte, um die Dringlichkeit und das gesellschaftliche Gewicht richtig einzuordnen.

Vergleich mit anderen Todesursachen

Organversagen und Wartelisten

  • 2023 gab es laut DSO 965 Todesfälle aufgrund von Organversagen, was einem täglichen Durchschnitt von 2,6 Personen entspricht.
  • Laut der BZgA verstarben im Jahr 2022 insgesamt 743 Menschen, die auf ein Spenderorgan warteten. Die Differenzierung zwischen diesen Zahlen – ob alle Todesfälle tatsächlich auf fehlende Spenderorgane zurückzuführen sind oder ob andere medizinische Gründe eine Rolle spielen – ist unklar.

Andere Todesursachen in Deutschland 2023:

  • Drogenbedingte Todesfälle: 2.227 Menschen (6,1 pro Tag).
  • Todesfälle durch Verkehrsunfälle: 2.830 Menschen (7,8 pro Tag).
  • Suizide: 10.300 Menschen (28,2 pro Tag).
  • Mangelernährung in Krankenhäusern: Laut Schätzungen des Ärzteblatts sterben jährlich bis zu 55.000 Menschen daran, das entspricht 150,7 Todesfällen pro Tag.
  • Nosokomiale Infektionen, also Infektionen, die sich Patienten während einer medizinischen Behandlung im Krankenhaus zuziehen. Laut Bundestag vom 20.10.2023 sind die jährlich geschätzt 20.000 Menschen pro Jahr, oder 54,7 Todesfällen pro Tag.

Die Argumentation, dass täglich drei Menschen in Deutschland sterben, weil keine Organe zur Verfügung stehen, wirft bei genauerer Betrachtung mehrere kritische Fragen auf. Die Zahl „3 pro Tag“ vermittelt eine außergewöhnliche Dramatik und hebt die Organspende-Problematik aus anderen, teilweise gravierenderen Gesundheits- und Sozialproblemen heraus. Diese Dringlichkeit relativiert sich jedoch, wenn man die Zahl im Verhältnis zu anderen Todesursachen betrachtet. Beispielsweise liegt die Zahl der Suizide mehr als zehnmal höher, während die Todesfälle durch Mangelernährung in Krankenhäusern ein Vielfaches davon ausmachen.

Die Ursachen für Organversagen oder das Scheitern einer Transplantation sind vielfältig. Es ist nicht gerechtfertigt, alle Todesfälle auf der Warteliste ausschließlich auf einen Mangel an Spenderorganen zurückzuführen. Häufig spielen auch medizinische Komplikationen oder andere Vorerkrankungen eine entscheidende Rolle. Es erscheint daher irreführend, die gesamte Verantwortung für diese Todesfälle auf die unzureichende Spendenbereitschaft in der Bevölkerung abzuwälzen.

Die öffentliche Diskussion vernachlässigt oft die Verhältnismäßigkeit und Priorisierung anderer vermeidbarer Todesursachen. Probleme wie Mangelernährung, Drogenabhängigkeit oder Suizide führen jährlich zu weit mehr Todesopfern als das Fehlen von Spenderorganen. Eine stärkere Fokussierung auf Präventionsmaßnahmen und öffentliche Gesundheitsinitiativen könnte potenziell mehr Leben retten als die ausschließliche Konzentration auf die Förderung der Organspende.

Die Verwendung emotional aufgeladener Zahlen wie „3 Menschen sterben pro Tag“ ist zudem manipulativ und beeinflusst den politischen Diskurs einseitig. Eine sachliche, faktenbasierte Diskussion sollte die gesamte Problematik der Gesundheitsversorgung berücksichtigen. Anstatt isolierte Zahlen hervorzuheben, wäre es zielführender, die Ursachen von Organversagen und anderen vermeidbaren Todesursachen differenziert zu betrachten.

 

Quellen:

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