Pharmalobby am Werk: Gesundheitsstrategie verspricht Industrieboom, doch auf Kosten der Bürger!

Wenn am Donnerstag 30.11.2023 Deutschlands Pharmamagnaten zu einem vertraulichen Treffen im Kanzleramt zusammenkommen, schüren sie hohe Erwartungen in der Branche. Seit Wochen wird dieses Treffen sorgfältig vorbereitet, und im Fokus steht eine Pharmastrategie.

Beteiligt sind neben dem Kanzleramt auch das Wirtschafts- und Gesundheitsministerium. Ob die Strategie bereits am Donnerstag vorgestellt wird, bleibt noch abzuwarten. Im Wesentlichen plant die Regierung, den Zugang zu Gesundheitsdaten zu erleichtern, bürokratische Hürden abzubauen und bessere Forschungsbedingungen zu schaffen.

„Das klingt zunächst ganz erfreulich: Bürokratieabbau, Digitalisierung und bessere Forschung im Gesundheitswesen!“, so der stellvertretende Vorsitzende des SHV – FORUM GEHIRN e.V. Doch leider ist nicht die Selbsthilfe oder die Patientenvertretung, die hier eingeladen sind, sondern die Bosse der Pharmariesen. „Das Ergebnis steht wohl schon so gut wie fest!“ folgert Siegel nach dem Artikel im Handelsblatt. „Unser Gesundheitsminister wird uns dann erneut mitteilen, dass wir eine gewaltige Kostenexplosion haben, während das Wirtschaftsministerium eine deutliche Bruttowertschöpfung in den kommenden Jahren prognostiziert. – Lobbyarbeit! Leider unerreichbar für die Selbsthilfe, da nicht förderfähig durch den GKV Spitzenverband!“.

Die Rückständigkeit Deutschlands in diesen Bereichen im internationalen Vergleich wird als Grundlage genommen, um Veränderungen vorzunehmen, die angeblich einen gewaltigen volkswirtschaftlichen Schub auslösen könnten. Dies geht zumindest aus einer Studie der Wirtschafts- und Forschungsinstitute Iges und Wifor im Auftrag des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) hervor, die am Dienstag vorgestellt wurde und dem Handelsblatt vorab vorliegt.

Die Experten haben den Einfluss der drei wichtigsten Faktoren – Digitalisierung, Innovationsförderung und Fachkräfte – auf die gesamte Gesundheitswirtschaft bis ins Jahr 2030 analysiert. Neben der Pharmabranche gehören dazu auch Unternehmen aus den Bereichen Medizintechnik, Biotech sowie Digital Health.

Ein angeblicher volkswirtschaftlicher Schub wäre möglich, wenn Deutschland bei der Digitalisierung schneller voranschreitet als bisher.

Bis 2030 würde sich die Bruttowertschöpfung laut der Studie von aktuell 103 Milliarden Euro jährlich um acht Milliarden Euro pro Jahr erhöhen. Insgesamt ließe sich die Wertschöpfung im Vergleich zum Status quo bis 2030 um 30,5 Milliarden Euro steigern.

Höhere Forschungsinvestitionen könnten einen ähnlich großen Effekt haben, durch die sich die Bruttowertschöpfung im Optimalfall um fünf Milliarden Euro jährlich bis 2030 steigern ließe und insgesamt um 29 Milliarden Euro.

Jedoch warnen die Autorinnen und Autoren davor, dass ohne diese Investitionen Unternehmen den Anschluss an neue Technologien verlieren könnten. Dies könnte zu einer „Kettenreaktion und einer schrittweisen Deindustrialisierung der Gesundheitswirtschaft in Deutschland“ führen.

Quelle: Handelsblatt, Jürgen Klöckner, 28.11.2023 – 13:40 Uhr

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